Steckbrief Ida Mauss

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Steckbrief Ida Mauss

Beitragvon Gedankenpolizei » Sa 18. Mär 2017, 21:29

Liebe Frau Mauss !

Namens der Mondagentur teile ich Ihnen hiermit mit, dass Ihr Schreiben vom 29.10.1997 an die Süddeutsche Zeitung selbstverständlich auch die Mondagentur erreicht hat.

Die Mondagentur erlaubt sich - Ihrem Wunsch entsprechend - dieses höchst informative unvergessene Schreiben an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen .

Hier die wortwörtliche Abschrift des Briefes, der z.B. auch im Internet auf der Seite http://www.werner-mauss.de als PDF veröffentlicht wurde :

ZITAT :

Ida Mauss hat geschrieben:
Herrn
Hans Leyendecker
Süddeutsche Zeitung , München

Fax Nr. 089-2183787

Betr, : Diverse Artikel in der süddeutschen Zeitung, besonders der vom 24.10.1997

Lieber Hans, 29.10.1997

frisch ist noch die Erinnerung an jenen Novemberabend 1995 am Flughafen von Bogota, als Du Dich mit Handkuß von mir verabschiedetest und sagtest : "Nie mehr werde ich gegen dich und deinen Mann etwas Böses schreiben." Seelenfroh flogst Du damals zurück nach Deutschland, nach dem gut gelungenen Besuch im Camp der Guerrilla und der planmäßigen Befreiung von zwei italienischen Geiseln, die der SPIEGEL als eigenen großen Erfolg ankündigen konnte ( siehe SPIEGEL 47/1996).

Angefangen hatte die Reise zwei Wochen zuvor, als Du mit dem gesamten Spiegel-Team nach Bogota geflogen warst und die Fernsehkameras unter der Nase der kolumbianischen Behörden ins Land geschmuggelt hattest, ohne Arbeitsvisum, obwohl Deine Arbeit als Journalist voll beweisbar war. Wir machten uns also auf die Reise zum Guerrillacamp. Selbstverständlich wurden ab diesem Zeitpunkt alle Reisekosten von uns übernommen.

Das Elend der armen Leute, die unmenschlichen Lebensumstände, die ewige Angst der Bürger, die unter dem Terror des Konfliktes zwischen Militär, Paramilitärs und Guerrilla leben müssen, sowie zahlreiche Dokumentationen über die Verschwundenen, die Ermordeten, die Gefolterten und die Massendeportationen, die die Realität des Landes darstellen, sind mit Euren Videocameras verewigt worden. Du selbst hast auf der Reise den Hass zwischen den Fronten gespürt und die Angst, in eine Intrige zu geraten oder die eigene Entführung mitzuerleben. Aber Dank der guten Organisation und der langjährigen Erfahrung einiger Personen, die Du jetzt als "Dilettanten" bezeichnest, ist es zu keinem derartigen Zwischenfall gekommen.

Von einem solchen Besuch in einem Guerrilla-Camp konnten andere Journalisten, auch Deine kolumbianischen Kollegen, nur träumen : vier Tage Interviews mit zwei der wichtigsten Comandantes der ELN, Nicolas Bautista und Antonio Garcia.Es wurde geplaudert, mit den Guerrilleras geflirtet und zum Schluß ein großer Abschied mit Aguardiente und Gesang gefeiert. Wenn ich mich recht erinnere, so wurde die Spiegel-Gruppe von den Guerrilleros gebeten, einen Beitrag deutscher Kultur zu bringen. Vor mehr als 100 Guerilleros hast Du dann die kommunistische Internationale angestimmt. In diesem Zusammenhang kann ich mich noch gut an Deine Worte "Links denken, rechts leben" erinnern.

Als es bei den Interviews um den geplanten Friedensdialog zwischen Guerrilla und kolumbianischer Regierung ging, meinten Du und Deine Journalisten-Kollegen. Was interessiert schon die deutschen Leser Kolumbien und seine Friedenspläne? Viel interessanter wäre die Befreiung der beiden italienischen Geiseln. Ob man denn diese kurz bevorstehende Aktion nicht vorverlegen könnte, damit der Spiegel über die Befreiung der Männer nach siebenmonatiger Geiselhaft berichten könnte. Es war Montag, der 13. November, und die Befreiung sollte auf Wunsch der Spiegel-Reporter möglichst bis spätestens Freitag, dem 17. November, passieren, so daß die Bilder am Samstag vor 8 Uhr deutscher Zeit der Spiegel-Redaktion in Hamburg vorlagen. Diese Bitte haben wir unterstützt; alles lief pünktlich.

Das Material des Interviews mit den Comantantes haben natürlich wir mit nach Deutschland genommen, da es zu "heiß" war, um im Gepäck eines Auslandsreporters transportiert zu werden. Uns blieben also knapp fünf Tage Zeit, in Deutschland die Koordination der Befreiung und die Reise der Guerrilla-Delegation nach Deutschland zu besprechen, eine Reise, die der Vorbereitung der Verhandlungen über den Frieden Kolumbien dienen sollte. Des weiteren mußten bestimmte Medikamente und medizinische Geräte besorgt werden, die die Guerilla für ihre Kranken benötigte, denn schließlich ist es für einen Guerrillero viel zu riskant, sich zur Behandlung in ein Krankenhaus zu begeben.

Trotz Schwierigkeiten haben wir es geschafft, am Abend des Donnerstag, 16. November , die Lufthansamaschine zu nehmen und Freitagmorgen, um 3.30 h in Bogota zu landen. Ohne geschlafen zu haben trafen wir uns um 6 Uhr morgens im Hotel, um ohne Verzögerung weiter zu fliegen. Genau um 10.30 Uhr sind wir mit der Verkehrsmaschine an unserem ersten Treffpunkt gelandet, von wo aus wir mit zwei einmotorigen Flugzeugen zu unserem zweiten Treffpunkt flogen, wo wir gegen Mittag ankamen. Die Piloten baten uns, nicht später als um 15.30 Uhr wieder dort zu sein. da man auf der Grass-Landepiste nur bei Tageslicht starten oder landen könne und eine Übernachtung in diesem Gebiet , zwischen paramilitärischen Gruppen und Soldaten des Heeres, Selbstmord sei. Fast zwei Stunden Flußfahrt standen uns noch bevor. Soldaten des Militär am linken Ufer, Guerilleros am rechten. Mut hat Dir aber nicht gefehlt. Um 13 Uhr hat uns die Guerrillera endlich gefunden und zu den beiden Italienern geführt, die ängstlich, abgemagert und ziemlich verzweifelt auf uns warteten. "Wir sind vom SPIEGEL und kommen , um euch zu befreien", sagtest Du ganz stolz. Die beiden Männer durften dann per Handy ihre Familien in Italien anrufen, denn die Emotionen, die Tränen, die Freude, bald wieder zu Hause zu sein, lassen sich prima verkaufen und damit die Auflage erhöhen. Es wurde alles gefilmt. Anstatt Trost zu erhalten, wurden die Befreiten nur gnadenlos vor die Kameras gezerrt, wie in dem kurz danach gesendeten Beitrag von Spiegel-TV sichtbar wird. Auch auf dem gesamten Rückweg habt Ihr den armen Menschen keinen Moment Ruhe gegönnt. Inzwischen war es 14 Uhr, zwei Stunden Flußfahrt standen uns noch bevor- also eine halbe Stunde zu spät für unseren Rückflug. Als wir um fast 16 Uhr ankamen, konnten wir gerade noch sehen, wie eine der zwei einmotorigen Maschinen losflog. Die Piloten hatten Angst vor Sabotage oder Entführungen und waren nicht bereit , noch länger zu warten. Es war also nur noch ein kleines Flugzeug da, in das wir uns mit 9 Personen reinzwängen mußten, wodurch die Maschine völlig überladen war. Aber wir hätten auf keinen Fall dort bleiben können, das wäre ein Tragödie geworden. Die Möglichkeit der anderen Tragödie, die eines Flugzeugabsturzes, haben wir geringer eingeschätzt. Trotz Gewitter und nochmaligen Flugzeugwechsels sind wir einigermaßen gut in Bogota gelandet.

Daß schließlich die gewünschten Bilder der Befreiung per Data-Transfer nicht rechtzeitig in Hamburg ankamen, lag nicht an unserem Timing, sondern an den überlasteten Telefonleitungen in Kolumbien, die sich wegen der langsameren Telefonfrequenzen nicht an die deutschen Frequenzen anpassen konnten, so daß sich die Fotos nicht per Computer übermitteln liessen.

Gegen Mitternacht wurden die beiden Italiener, schmutzig, unrasiert und übermüdet, in einem der besten Hotels der Hauptstadt, in dem gerade ein Ball der High Society Bogotas stattfand, von uns an ihre italienischen Behörden übergeben.

Wärest Du, anstatt bei der Befreiung der Italiener bei der der Frau Schöne dabei gewesen, so hättest Du meinem Mann lange Zeit Gesellschaft im Gefängnis von Itagüi leisten können.

Aber als wir wegen der berüchtigten Intrigen von Control Risks von der deutschen und internationalen Presse kriminalisiert wurden, hast Du, lieber Hans, das Geschäft Deines Lebens gewittert und den Film aus dem Guerillacamp weltweit verkauft und so zusammengeschnitten, daß wir dem Zuschauer als Hauptdarsteller kriminalisierend präsentiert wurden. In Wirklichkeit war dies auch für uns der erste Besuch in einem Guerillacamp.Und dies trotz Deines Ehrenwortes und dem Abschluß eines Vertrages mit Androhung einer Konventionalstrafe von 50.000,- DM pro Zuwiderhandlung bei Prof. Wenzel. Diese zusammengeschnittenen Filme haben die kolumbianischen Behörden irritiert und deshalb unseren Gefängnisaufenthalt erheblich verlängert. Du, der Du die empflindliche Situation des Landes kanntest, hast uns "für eine Hand voll Dollar" ans Messer geliefert und ein völlig falsches Bild von uns gezeigt.

Weshalb sind denn damals nicht die tagelangen Interviews mit den Comandantes des ELN und die politischen Diskussionen gezeigt worden ? Warum wurde nicht vom Friedensplan berichtet,wo Du doch bis in die letzten Detaills darüber informiert warst ? Weshalb wurden keine Bilder, auf denen Du und das Spiegel-Team zu sehen sind, veröffentlicht ? Hattest Du etwa Angst, daß Dir etwas passieren könnte, obwohl Du so weit weg vom Ziel warst, oder paßten diese Aufnahmen nicht ins Geschäft ?

Die Veröffentlichungen des SPIEGEL geschahen nicht, um die Allgemeinheit aufzuklären,sondern um uns physisch, psychisch und moralisch zu erledigen. Ich würde das gerne als Pressekriminalität bezeichnen. Bei Dir kann noch nicht einmal von emotionalem Analphabetismus gesprochen werden, denn den findet man bei Menschen, die sich von der allgemeinen Meinung beeinflussen lassen und starke Gefühle gegen Personen oder Situationen entwickeln, ohne die erhaltenen Informationen selbst zu prüfen und ihnen auf den Grund zu gehen. Hier handelt es sich um eine Person - um Dich - die die Situation und die involvierten Menschen kannte. Trotzdem schwimmst Du mit dem Strom, weil Du finanzielle und berufliche Vorteile erwartest und dies weniger gefährlich erscheint, als die Wahrheit zu erklären. Hier könnte man von arroganter emotionaler Ignoranz sprechen, denn
während die emotionalen Analphabeten eventuell noch zu retten sind , indem man sie aufklärt, sind die anderen, die Bescheid wissen und trotzdem die Wahrheit verdrehen und verleugnen, für die Gesellschaft unmißverständlich verloren. Und vor solchen arroganten Ignoranten habe ich mehr Angst als vor Terroristen und Mördern, denn bei denen weiß man, woran man ist, und man kann sich entsprechend schützen.

Es ist ein Trost, daß es noch solche Menschen gibt wie Minister Schmidbauer und Carlos Villamil, die uns in den schwersten Zeiten zur Seite gestanden haben und bereit waren, auch gegen den Strom einen guten Zweck, wie der Friedensplan es ist, zu verteidigen und nicht so zu reagieren wie die vielen Judasse, die , sobald die Situation sich wendet, nichts anderes denken, als sich selbst zu profilieren, die noch Öl ins Feuer der so komplizierten politischen Intrige geschüttet haben, anstatt, wie es ihre eigentliche Aufgabe gewesen wäre, für Aufklärung zu sorgen.

Zum Schluß, lieber Hans, möchte ich Dir sagen, daß der Erfolg nur wahre Erfüllung bringt, wenn er einem guten Zweck dient. Wenn er nur zur Stärkung des eigenen Egos oder Profits benutzt wird und den Mitmenschen schadet, wird er früher oder später Leere und Verzweiflung zur Folge haben. Es wäre sicher gut, wenn Du, anstatt stets anderen Personen den Spiegel mit ihren Fehlern zu zeigen, jetzt Dir als Journalist der Zeitgeschichte diesen Spiegel selbst vorhältst und einen kritischen Artikel schreibst über Deine eigene fehlerhafte Berichterstattung der letzten Jahre. Jeder wird Respekt vor Dir haben, wenn Du öffentlich Deine Fehler bekennst und berichtest, wie die Realität wirklich war, wenn Du einen Leserbrief an den SPIEGEL schreibst, einen Brief, den sich der SPIEGEL hinter den Spiegel stecken kann.

Lebe wohl, Hans,

Ida Mauss


P.S. Ich bitte Dich, meinen Brief in der nächstmöglichen Ausgabe der
Süddeutschen Zeitung veröffentlichen zu lassen. Meinerseits werde
ich diesen Brief auch an Nachrichtenagenturen verteilen.


mit freundlichen grüssen


gedankenpolizei
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