BGH-Urteil VI ZR 23/09 vom
2. März 2010BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 23/09 Verkündet am:
2. März 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO § 32; BGB §§ 823 Abs. 1 Ah, 1004 Abs. 1 Satz 2
a) Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen
durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen
international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte
objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass
eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der
Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an
der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits
- nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund
des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten
sein kann oder eintreten kann.
b) Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten
Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich
näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall
wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts
durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten
würde.
BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen,
die Richter Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2008 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf ein Verbot des
Bereithaltens der beanstandeten Äußerungen zum Abruf im Internet
gerichtete Unterlassungsklage des Klägers als unzulässig abgewiesen
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der in Deutschland wohnhafte Kläger nimmt die Verlegerin der Tageszeitung
"The New York Times" sowie den in New York ansässigen Autor eines am
12. Juni 2001 in der Printausgabe der Zeitung veröffentlichten und am selben
Tag in den Internetauftritt der Zeitung eingestellten und dort im "Online-Archiv"
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zum Abruf bereit gehaltenen Artikels, durch den sich der Kläger in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, auf Unterlassung in Anspruch.
Der beanstandete Artikel befasst sich mit einem in der Stadt New York
eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen R. L. und das von ihm beherrschte
Unternehmen C.E.M. wegen Bestechung ukrainischer Regierungsangestellter.
In dem Artikel wird der Kläger namentlich erwähnt und als Goldschmuggler und
Täter einer Unterschlagung bezeichnet, dessen Unternehmen in Deutschland
nach Berichten der amerikanischen und deutschen Ermittlungsbehörden Teil
der russischen organisierten Kriminalität sei. Es wird behauptet, der Kläger habe
Verbindungen zum organisierten Verbrechen in Russland und ihm sei die
Einreise in die USA untersagt.
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Beide Vorinstanzen haben die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte verneint und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Mit seiner
vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter, soweit es darauf gerichtet ist, den Beklagten zu untersagen, die beanstandeten
Äußerungen im Internet zum Abruf bereit zu halten.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in AfP 2009, 159 veröffentlicht
ist, hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 32 ZPO
verneint, weil die vom Kläger behauptete Verletzung seines Persönlichkeitsrechts
durch den beanstandeten Artikel nicht in Deutschland begangen worden
sei. Die Printausgabe der "New York Times" vom 12. Juni 2001 sei nicht im regelmäßigen
Geschäftsverkehr nach Deutschland ausgeliefert worden, weshalb
es an einer zuständigkeitsbegründenden Verbreitung im Inland fehle.
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Auch die Veröffentlichung des Artikels im Internet begründe keinen Gerichtsstand
in Deutschland. Der Artikel weise nicht den erforderlichen Inlandsbezug
auf. Er richte sich nicht gezielt bzw. bestimmungsgemäß an Internetnutzer
in Deutschland. Für diese Beurteilung sei insbesondere maßgebend, dass
der Artikel lediglich im Lokalteil der "New York Times" abrufbar und deshalb von
seinem äußeren Erscheinungsbild her auf das amerikanische, insbesondere
das Publikum im Raum New York, abgestimmt sei. Die Sachlage sei insoweit
vergleichbar mit der Online-Ausgabe einer lokalen oder regionalen Tageszeitung
mit vornehmlich lokalen Inhalten, die typischerweise objektiv auf die entsprechende
Region ausgerichtet seien. Es sei deshalb anzunehmen, dass der
Artikel im Ausland kaum auf nennenswertes Interesse stoße. Dass Deutschland
in der Online-Ausgabe der "New York Times" als "country of residence" genannt
werde, führe ebenso wenig zu einer anderen Beurteilung wie die Tatsache,
dass 14.484 Leser im Juni 2001 im Wege der Selbstauskunft Deutschland als
Wohnsitz angegeben hätten; denn dies entspreche lediglich einem Anteil von
etwa einem halben Prozent der gesamten registrierten Online-Leserschaft der
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"New York Times" und bedeute unter Spürbarkeitsgesichtspunkten eine zu vernachlässigende
Auswirkung im inländischen Marktbereich. Unerheblich sei, ob
der beanstandete Artikel gerade auch in Deutschland Aufsehen erregt habe und
dort von der deutschen Presse zitiert worden sei. Dass der Kläger in Deutschland
einen Wohnsitz habe und in dem Artikel im Zusammenhang mit Straftaten
genannt werde, begründe den erforderlichen Inlandsbezug ebenfalls nicht.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.
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Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass
sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der
Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. BGHZ
153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 70/06 - TranspR
2009, 26 Tz. 17 = VersR 2009, 807 m.w.N; vom 22. Oktober 2009 - I ZR 88/07 -
TranspR 2009, 479), nach § 32 ZPO bestimmt. Denn die Vorschriften über die
örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) regeln mittelbar auch die Grenzziehung
zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte (vgl. Senatsurteil
vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - NJW 1977, 1590; BGH, Urteil vom
22. November 1994 - XI ZR 45/91 - NJW 1995, 1225, 1226 jeweils m.w.N.).
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1. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht
zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Zur Begründung
der Zuständigkeit genügt es, wenn der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet,
aus denen sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt
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(vgl. BGHZ 124, 237, 241; 132, 105, 110 f., jeweils m.w.N.). Begehungsort der
deliktischen Handlung ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort,
so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung
begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen
wurde (vgl. BGHZ 132, 105, 110 f.). Erfasst werden neben Ansprüchen
auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche (vgl. BGH, Beschluss vom
17. März 1994 - I ZR 304/91 - AfP 1994, 288, 290; Zöller/Vollkommer, ZPO,
28. Aufl., § 32 Rn. 14, 16; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 32 Rn. 23). § 32
ZPO setzt nicht voraus, dass eine Rechtsgutsverletzung eingetreten ist. Es genügt,
wenn eine solche droht, so dass auch vorbeugende Klagen in den Anwendungsbereich
dieser Bestimmung fallen.
2. In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche Anknüpfungskriterien
für die Bestimmung und Abgrenzung des Ortes, an dem in ein
geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde bzw. an dem ein solcher Eingriff
droht, maßgeblich sind, wenn die behauptete Rechtsgutsverletzung durch den
Abruf von auf einer Internet-Website eingestellten Inhalten eintritt oder einzutreten
droht.
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a) Zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch ehrverletzende Äußerungen
in einem Druckerzeugnis hat der erkennende Senat entschieden, dass die
Rechtsgutsverletzung u.a. an dem Ort "begangen" werde, an dem das Presseerzeugnis
verbreitet werde (Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO,
S. 1590 f.). Von einem Verbreiten könne allerdings nur dann die Rede sein,
wenn der Inhalt des Presseerzeugnisses dritten Personen bestimmungsgemäß
und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht werde. Es könne nicht ausreichen,
dass nur hier und da einmal durch Dritte ein oder mehrere Exemplare in ein
Gebiet gelangten, das von der Betriebsorganisation des Verlegers oder Her-
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ausgebers nicht erfasst und in das das Druckerzeugnis nicht regelmäßig geliefert
werde (ebenda).
b) Die genannte Entscheidung kann auf Internetdelikte allerdings nicht
ohne weiteres übertragen werden. Internetinhalte werden regelmäßig nicht
"verbreitet", sondern zum Abruf bereit gehalten (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber,
Handbuch Multimedia-Recht, Stand Juni 2009, Kap. 25 Rn. 210; vgl. auch die
Formulierung in § 7 Abs. 1 TMG: Informationen, die Diensteanbieter "zur Nutzung
bereit halten"). Im Gegensatz zu Druckerzeugnissen lässt sich im Internet
auch ein räumlich abgegrenztes Verbreitungsgebiet einer Website nur schwer
bestimmen (vgl. Roth, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, S. 254 f.). Dementsprechend ist
die Übertragbarkeit der vom Senat entwickelten Einschränkung auf Delikte im
Internet ebenso umstritten wie im Falle der grundsätzlichen Bejahung eines Erfordernisses
der bestimmungsgemäßen "Verbreitung" dessen Konkretisierung
(vgl. zum Meinungsstand Roth, aaO, S. 232 ff.).
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aa) Ein Teil der Instanzgerichte und der Literatur hält im Hinblick auf den
Charakter des World-Wide-Web die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden
Inhalte im Inland ohne weiteres für zuständigkeitsbegründend (vgl.
Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien,
3. Aufl., Rn. 831; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. Art. 5
EuGVVO Rn. 23; Bachmann, IPrax 1998, 179, 184; Coester-Waltjen, Festschrift
für Schütze, 1999, S. 175, 184; Spindler, ZUM 1996, 533, 562; Schack MMR
2000, 135, 138 f.; zum Kennzeichenrecht: OLG Karlsruhe, MMR 2002, 814,
815; OLG Hamburg, MMR 2002, 822, 823; OLG Hamburg, IPrax 2004, 125,
126; zum Namensrecht: OLG München, MMR 2002, 166, 167; zum Persönlichkeitsrecht:
KG AfP 2006, 258, 259).
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bb) Andere nehmen einen Erfolgsort bei Internetdelikten im Inland sowohl
im Rahmen des § 32 ZPO als auch im Rahmen der - § 32 ZPO im Wesentlichen
gleichgelagerten - Bestimmung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/EuGVVO nur
dann an, wenn der beanstandete Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung
des Betreibers im Inland abrufbar ist (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber,
aaO, Rn. 207 ff. m.w.N.). So hält der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ
bei Wettbewerbsverletzungen nur dann für gegeben, wenn sich der beanstandete
Internetauftritt bestimmungsgemäß im Inland auswirken soll bzw. sich bestimmungsgemäß
auch an deutsche Internetnutzer richtet (vgl. BGHZ 167, 91,
98 f.). Diese Grundsätze haben verschiedene Instanzgerichte zur Vermeidung
einer uferlosen Gerichtspflichtigkeit des Beklagten auf Urheberrechtsverletzungen
(OLG Köln, GRUR-RR 2008, 71), Namensrechtsverletzungen (KG, NJW
1997, 3321), Kennzeichenverletzungen (LG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 979,
980), Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (LG Krefeld,
AfP 2008, 99, 100) und auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen (OLG Celle,
OLGR 2003, 47; OLG Düsseldorf, AfP 2009, 159; AG Charlottenburg, MMR
2006, 254, 255) übertragen.
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cc) Das Tribunal de grande instance de Paris hält im Anwendungsbereich
des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO die Anzahl der Abrufe der rechtsverletzenden
Inhalte vom Gerichtsstaat für ein maßgebliches Abgrenzungskriterium (vgl. Ordonnance
du Juge de la Mise en Etat, rendue le 27 Avril 2009, 17. Ch. Presse-
Civile, Nr. Rg. 08/15331 sowie Ordonnance du Juge de la Mise en Etat, rendue
le 6 Juillet 2009, 17. Ch. Presse-Civile, Nr. Rg. 08/15331 = Vorabentscheidungsersuchen
in der Rechtssache C-278/09 - Verfahren erledigt durch die Unzuständigkeit
feststellenden Beschluss des EuGH vom 20. November 2009,
ABl. C 24/18 vom 30. Januar 2010).
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dd) Für Kennzeichenverletzungen neigt der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zu einer Begrenzung
der Gerichtsstände auf diejenigen, in deren Zuständigkeitsbereich eine
Interessenkollision tatsächlich eingetreten sein kann (BGH, Urteil vom
13. Oktober 2004 - I ZR 163/02 - NJW 2005, 1435, 1436; ähnlich Roth, aaO,
S. 276 ff.; von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, S. 80 ff.,
88). Ähnliche Erwägungen liegen der Entscheidung des 1. Strafsenats des
Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2000 (BGHSt 46, 212) zugrunde. Danach
tritt dann, wenn ein Ausländer von ihm verfasste Äußerungen, die den
Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, auf einem ausländischen Server in
das Internet einstellt, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, ein zum
Tatbestand gehörender Erfolg im Inland ein, wenn die Äußerungen konkret zur
Friedensstörung im Inland geeignet sind (ebenda).
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c) Für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Internetveröffentlichungen
ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte entsprechend
der zuletzt genannten Auffassung zu bestimmen.
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aa) Die Ansicht, die die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte
für zuständigkeitsbegründend hält, widerspricht dem Sinn und Zweck des § 32
ZPO. Die in dieser Bestimmung geregelte Tatortanknüpfung stellt eine Ausnahme
von dem Grundsatz dar, dass die Klage am Gerichtsstand des Beklagten
zu erheben ist (actor sequitur forum rei, vgl. BGHZ 115, 90, 92; Pichler in
Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 9 ff.). Ihre Rechtfertigung liegt in der durch den Handlungs-
oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum
Forum (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO; Pichler in Hoeren/
Sieber, aaO, Rn. 180, 195; Bachmann, aaO, S. 181; Roth, aaO, S. 276;
Zöller-Vollkommer, aaO, § 32 Rn. 1). Eine besondere Beziehung zu einem bestimmten
Forum wird durch die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhal-
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te allein jedoch nicht begründet. Denn die Abrufbarkeit einer Website ist infolge
der technischen Rahmenbedingungen in jedem Staat gegeben. Ließe man die
bloße Abrufbarkeit genügen, so käme es zu einer uferlosen Ausweitung der
Gerichtspflichtigkeit des Beklagten, die den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien
der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstände, der Reduzierung konkurrierender
Zuständigkeiten und der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit
der potentiellen Gerichtspflichtigkeit eklatant zuwiderliefe (vgl. Pichler
in Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 198).
bb) Um das zu vermeiden, ist ein über die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden
Inhalte hinausgehender Inlandsbezug erforderlich (vgl. Senatsbeschluss
vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08 - VersR 2010, 226 Rn. 19).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein derartiger Bezug bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen aber nicht voraussetzen, dass sich die beanstandete
Website "gezielt" oder "bestimmungsgemäß" auch an deutsche Internetnutzer
richten soll. Dieses Einschränkungskriterium, das bei marktbezogenen
Delikten wie Wettbewerbsverletzungen seine Berechtigung hat, ist für die
erforderliche Begrenzung der ansonsten bestehenden Vielzahl von Gerichtsständen
bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht geeignet. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung
setzt keine Marktbeeinflussung voraus, sondern tritt unabhängig
von den Intentionen des Verletzers mit der Kenntnisnahme des
rechtsverletzenden Inhalts durch Dritte ein (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, aaO,
Rn. 229, 251; von Hinden, aaO, S. 83).
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cc) Der Senat misst auch der Anzahl der Abrufe der rechtsverletzenden
Inhalte vom Gerichtsstaat aus jedenfalls bei Unterlassungsansprüchen keine
über ein bloßes Indiz hinausgehende Bedeutung für die Bestimmung des erforderlichen
Inlandsbezugs zu. Denn zum einen ist die Anzahl der erfolgten Abrufe
nicht immer zuverlässig feststellbar; zum anderen ist sie dem insoweit darle-
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gungs- und beweisbelasteten Kläger schon aus Datenschutzgründen nicht uneingeschränkt
zugänglich (vgl. Roth, aaO., S. 232 ff.). Abgesehen davon ist der
Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet und setzt keine bereits eingetretene
Rechtsgutsverletzung voraus.
dd) Entscheidend ist vielmehr, ob die als rechtsverletzend beanstandeten
Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen,
dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an
der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten
an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits
- nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des
Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann
oder eintreten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 10. November 2009 - VI ZR
217/08 - aaO, Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 - I ZR 163/02 - aaO;
Pichler, in: Hoeren/Sieber aaO, Kap. 25 Rn. 210; Lütcke, Persönlichkeitsrechtsverletzungen
im Internet, 2000, S. 135, 137; Roth aaO, S. 276 f.; ähnlich High
Court of Australia, Urteil vom 10. Dezember 2002 - Dow Jones and Company
Inc. v. Gutnick [2002] HCA 56; 210 CLR 575; 194 ALR 433; 77 ALJR 255, abrufbar
unter
http://www.austlii.edu.au/au/cases/cth/HCA/2002/56.html). Dies ist
dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung
nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als
dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre (vgl. Roth
aaO, S. 278 ff.) und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts
durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten
würde (vgl. Bachmann, IPrax 1998, 179, 185; Pichler in Hoeren/Sieber,
aaO, Rn. 251; Roth aaO, S. 282 ff.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte zur Entscheidung über den in der Revisionsinstanz noch anhängigen
Unterlassungsanspruch gemäß § 32 ZPO zu bejahen. Die angegriffenen
Äußerungen weisen schon inhaltlich einen deutlichen Inlandsbezug auf, der
ein erhebliches Interesse deutscher Internetnutzer an ihrer Kenntnisnahme nahe
legt. In dem angegriffenen Artikel wird der in Deutschland wohnhafte Kläger
namentlich genannt. Ihm werden unter Berufung auf Berichte europäischer
Strafverfolgungsbehörden Verbindungen zur russischen Mafia nachgesagt. Es
wird behauptet, seine Firma in Deutschland sei ausweislich der Berichte deutscher
Strafverfolgungsbehörden Teil eines Netzwerkes des internationalen organisierten
Verbrechens und dem Kläger sei die Einreise in die USA untersagt.
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Es liegt nahe, dass der Artikel im Inland zur Kenntnis genommen wurde
oder wird. Bei der "New York Times" handelt es sich um ein international anerkanntes
Presseerzeugnis, das einen weltweiten Interessentenkreis ansprechen
und erreichen will. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war und ist
die Online-Ausgabe der Zeitung auch in Deutschland abrufbar. Deutschland ist
im Registrierungsbereich des Online-Portals ausdrücklich als "country of residence"
aufgeführt. Im Juni 2001 waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
14.484 Internetnutzer registriert, die Deutschland als Wohnsitz
angegeben hatten.
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Durch die angegriffenen Äußerungen wird die Achtung, die der in
Deutschland wohnhafte und geschäftlich tätige Kläger in seinem Lebenskreis in
Deutschland genießt, jedenfalls auch in Deutschland gestört bzw. gefährdet
(vgl. zur Störung des Achtungsanspruchs am Wohnort des Betroffenen: Senatsurteil
vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO).
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Artikel der erforderliche
Inlandsbezug nicht deshalb abzusprechen, weil er im Lokalteil des
Internetauftritts, dem sogenannten "Metropolitan Desk", zum Abruf bereit gehalten
wird. Er kann insbesondere nicht einer Meldung in der Onlineausgabe einer
lokalen Tageszeitung oder einem Stadtmagazin mit vornehmlich lokalen Inhalten
gleichgesetzt werden, die typischerweise objektiv auf die entsprechende
Region ausgerichtet ist. Ausweislich des Artikels wurde er in Washington verfasst;
er befasst sich offensichtlich nicht mit einem lokalen Ereignis, sondern mit
Vorgängen von erheblichem internationalen Interesse, nämlich der Bestechung
osteuropäischer Beamter zur Förderung eigener geschäftlicher Interessen. Abgesehen
davon ist zu berücksichtigen, dass der Leser einer Online-Ausgabe
anders als der herkömmliche Zeitungsleser die Möglichkeit hat, ihn interessierende
Inhalte mit der Suchfunktion - beispielsweise durch Eingabe des Wortes
"Germany" in das Suchfeld - zu ermitteln. Soweit das Berufungsgericht annimmt,
der angegriffene Artikel habe im Inland zu vernachlässigende Auswirkungen,
weil ihn lediglich 14.484 Personen zur Kenntnis hätten nehmen können,
übersieht es zum einen, dass es zur Begründung der internationalen Zuständigkeit
bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht auf Spürbarkeitsgesichtspunkte
ankommt (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO,
S. 1591). Zum anderen berücksichtigt es nicht hinreichend, dass der soziale
Geltungsanspruch des Klägers bereits dann erheblich tangiert sein kann, wenn
auch nur eine Person aus seinem Lebenskreis die für ihn abträglichen Behauptungen
zur Kenntnis nimmt.
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4. Das Berufungsurteil war gemäß § 562 Abs. 1 ZPO teilweise aufzuheben
und die Sache im Umfang der Aufhebung nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Eine Zurückverweisung an das Landgericht im Wege eigener Sachentscheidung
des Senats nach §§ 563 Abs. 3, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO
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kam schon deshalb nicht in Betracht, weil dies von keiner Partei beantragt worden
ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003
- III ZR 176/02 - NZM 2003, 375; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 563 Rn. 3, 23).
Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht auch den in der Revisionserwiderung
vorgebrachten Bedenken gegen die Fassung des Klageantrags
Rechnung zu tragen haben.
Galke Diederichsen Pauge
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.01.2008 - 12 O 393/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.12.2008 - I-15 U 17/08 -