BGH-Urteile

BGH-Urteile

Beitragvon Roman Pixel » Di 14. Mai 2013, 13:22

BGH - Urteil v. 14.05.2013 - VI ZR 269/12

hier : Presseerklärung zum Urteil

Bundesgerichtshof entscheidet über die

Zulässigkeit persönlichkeitsrechtsverletzender

Suchergänzungsvorschläge bei "Google"

Die Klägerin zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Internet Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen die Beklagte mit Sitz in den USA, die unter der Internetadresse "www.google.de" eine Internet-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Trefferliste auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April 2009 hat die Beklagte eine "Autocomplete"-Funktion in ihre Suchmaschine integriert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge ("predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt werden. Die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Namens R.S. in dem sich im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion öffnenden Fenster als Suchvorschläge die Wortkombinationen "R.S. (voller Name) Scientology" und "R.S. (voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie haben u.a. behauptet, der Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. In keinem einzigen Suchergebnis sei eine Verbindung zwischen dem Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.

Die Kläger verlangen von der Beklagten, es zu unterlassen, auf der Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers zu 2 als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden Kombinationsbegriffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen. Darüber hinaus begehren sie Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer Geldentschädigung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der u. a. für Persönlichkeitsrechtsverletzungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG gegen die Beklagte als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.

Die Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten beinhalten eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein fassbarer Aussagegehalt innewohnt, zwischen dem Kläger zu 2 und den negativ belegten Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" besteht ein sachlicher Zusammenhang.

Die Kläger würden hierdurch in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn diese Aussage – wie sie vorgetragen haben – unwahr wäre und deshalb in der Abwägung ihrer grundrechtlich geschützten Position gegenüber derjenigen der Beklagten das Übergewicht zukäme.

Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger ist der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet.

Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet. Der Beklagten ist nämlich nicht vorzuwerfen, dass sie eine Suchvorschläge erarbeitende Software entwickelt und verwendet hat, sondern lediglich, dass sie keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Betreiber einer Suchmaschine ist regelmäßig nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.

Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - eine rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten ebenso wenig vorgenommen wie unter dem Gesichtspunkt des - nur in engen Grenzen zu gewährenden - Anspruchs auf Geldentschädigung und des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies wird es nachzuholen haben.

Urteil vom 14. Mai 2013 – VI ZR 269/12

LG Köln - Urteil vom 19. Oktober 2011 - 28 O 116/11

OLG Köln - Urteil vom 10. Mai 2012 - 15 U 199/11

abgedruckt in GRUR-RR 2012, 486 und ZUM 2012, 987

Karlsruhe, den 14. Mai 2013

Quelle :

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Roman Pixel
 
Beiträge: 5
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 09:19

Re: BGH-Urteile

Beitragvon Roman Pixel » Fr 17. Mai 2013, 20:43

Urteil v. 25.10.2011 VI ZR 93/10


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VI ZR 93/10
Verkündet am:
25. Oktober 2011
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

ZPO § 32; EGBGB Art. 40 Abs. 1 Satz 2; BGB § 823 Abs. 1 Ah, § 1004
a) Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung
einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch,
weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die
Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten
voraus.

b) Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung
des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung
des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß
auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht
werden kann.

c) Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags besteht,
wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen
und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung
etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des
Persönlichkeitsrechts auszugehen ist.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10 - OLG Hamburg
LG Hamburg


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 7. Zivilsenats
des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom
2. März 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum
Nachteil der Beklagten zu 2 erkannt worden ist.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger zu 1 (künftig: Kläger) nimmt die Beklagte zu 2 (künftig: Beklagte)
wegen der Verbreitung einer Äußerung, die sich auf der Webseite
m….blogspot.com befindet, auf Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger ist im Immobiliengeschäft tätig. Er war Geschäftsführer einer
in Deutschland ansässigen GmbH, die nach Abweisung eines Antrags auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens mangels Masse im Jahr 2003 aufgelöst wurde.
Ferner war er Geschäftsführer einer spanischen Bauträgergesellschaft mit Sitz
in Palma de Mallorca. Nunmehr ist der Kläger Geschäftsführer einer anderen
spanischen Gesellschaft.

Die Beklagte, die ihren Sitz im Bundesstaat Kalifornien der Vereinigten
Staaten hat, stellt die technische Infrastruktur und den Speicherplatz für die
Website http://www.blogger.com und für die unter http://www.blogspot.com von Nutzern
eingerichteten Weblogs (Blogs), also journal- oder tagebuchartig angelegte
Webseiten, zur Verfügung.

Ein an dem Rechtsstreit nicht beteiligter Dritter richtete auf der Webseite
http://www.blogspot.com den Blog m...blogspot.com ein. Dort hieß es in einem auf
den 2. August 2007 datierten Eintrag unter der Überschrift "Hat Pleitier … F…
ein Intelligenzproblem?" unter anderem:

"Apropos Banco S…, im Frühjahr 2000 hat das Institut Herrn F…s Firmen…
Visakarte auf Veranlassung seines Steuerberaters!!!, … gesperrt
und eingezogen. Begründung: F… nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen
zur Begleichung von Sex-Club Rechnungen und sei allem Anschein
nach ‚manchen Situationen nicht gewachsen.‘ Honi soit qui mal y pense!"
Der Kläger verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, folgende Behauptung
zu verbreiten: "F… nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung
von Sex-Club Rechnungen", hilfsweise Beseitigung der Äußerung.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dieses Unterlassungsbegehrens
stattgegeben, allerdings nur bezogen auf die Verbreitung im Bereich
der Bundesrepublik Deutschland. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten
hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
erstrebt die Beklagte vollumfängliche Klageabweisung. Hinsichtlich einer Reihe
weiterer vom Kläger beanstandeter Äußerungen sowie hinsichtlich der Beklag-
ten zu 1 und der Klägerin zu 2 ist die Klage in den Vorinstanzen rechtskräftig
abgewiesen worden.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in MMR 2010, 490 veröffentlicht ist,
hat ausgeführt: Das Landgericht habe die Anwendbarkeit deutschen materiellen
Rechts zu Recht und mit zutreffender Begründung aus Art. 40 EGBGB hergeleitet.
Bezüglich der Verbreitung des Satzes "F… nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen
zur Begleichung von Sex-Club-Rechnungen…" auf der von der Beklagten
"gehosteten" Seite bestehe ein Unterlassungsanspruch des Klägers
gegen die Beklagte als Störerin. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass die
in dem Beitrag erwähnte Visa-Karte der Banco S… zur Begleichung einer Sex-
Club-Rechnung verwendet worden sei. Der Kläger habe bestritten, jemals Sex-
Club-Rechnungen mit Visa-Karte beglichen zu haben, und vorgetragen, dass
die Banco S… der Firma C… niemals eine Kreditkarte ausgestellt habe. Diese
Aussage sei hinreichend bestimmt. Der Kläger bringe damit zum Ausdruck,
dass es keine Anhaltspunkte für die verbreitete Behauptung gebe, sondern
dass es sich um eine freie Erfindung handele. Weitere Ausführungen zu einem
nicht geschehenen Ereignis könne eine Partei naturgemäß nicht machen. Diese
Erklärung des Klägers habe die Beklagte veranlassen müssen, in eine Prüfung
einzutreten, ob die unzweifelhaft ehrenrührige Behauptung zutreffe, und, sofern
dies nicht zu klären gewesen sei, den Betreiber zur Löschung der Passage zu
veranlassen. Da die Beklagte abgesehen von der Weiterleitung der Beanstandung
nichts unternommen habe, um den Verfasser zur Löschung zu veranlassen,
und da sie auch weder dargetan noch bewiesen habe, dass die Tatsa-
chenbehauptung zutreffend gewesen sei, sei sie insoweit ihrer Pflicht als technische
Verbreiterin nicht nachgekommen. Dass ihr ein Handeln nicht zumutbar
oder möglich gewesen wäre, habe sie selbst nicht behauptet. Daher bestehe
insoweit ein Unterlassungsanspruch des Klägers.

II.
Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer
Ladung im Termin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden,
das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen
Prüfung des Antrags beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60,
BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht die internationale Zuständigkeit
der deutschen Gerichte angenommen, die in jedem Verfahrensabschnitt,
auch im Revisionsverfahren, von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsurteile
vom 29. März 2011 - VI ZR 111/10, VersR 2011, 900 Rn. 6; vom 29. Juni
2010 - VI ZR 122/09, VersR 2011, 137 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. November
2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff.; vom 19. April 2007 - I ZR 35/04,
BGHZ 172, 119 Rn. 16 - Internet-Versteigerung II).
Zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen
durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte
nach § 32 ZPO international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten
Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne
aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Um-
ständen des konkreten Falls im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder
eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme der beanstandeten
Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich
näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der
Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts
durch eine Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten
würde (Senatsurteile vom 29. März 2011 - VI ZR 111/10, aaO Rn. 8 ff.; vom
2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 16 ff.). Nach diesen Kriterien
bestimmt sich der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfolgsort
auch dann, wenn gegen den Hostprovider als Störer geklagt wird, ungeachtet
der eventuell strengeren Voraussetzungen für dessen Haftung (dazu nachfolgend).
Danach ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.
Der Kläger hat im Streitfall spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung einen deutlichen Inlandsbezug des beanstandeten Blogs
schlüssig vorgetragen. Maßgebend ist der Inlandsbezug der behaupteten Verletzung
von Persönlichkeitsrechten des Klägers. Insoweit ist auf den Inhalt des
beanstandeten Blogs abzustellen. Dieser richtet sich vorrangig an auf Mallorca
und in Deutschland ansässige Personen, die - etwa als "Residenten" oder "Immobilienbesitzer"
- einen Bezug zu Mallorca und Interesse an den in der BlogÜberschrift
angekündigten "Insiderinfos" und "Fakten" haben. Der Blogeintrag
vom 2. August 2007, der die angegriffene Äußerung enthält, ist in deutscher
Sprache abgefasst und der Kläger ist unter Angabe seines Wohnorts in
Deutschland mit vollem Namen genannt. In dem Blogeintrag wird auch die angeblich
fortdauernde Geschäftstätigkeit des Klägers in Deutschland angesprochen.

2. Das Berufungsgericht geht zu Recht von der Anwendbarkeit deutschen
materiellen Rechts aus. Die richtige Anwendung des deutschen Internationalen
Privatrechts ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl.
Senatsurteil vom 15. Juli 2008 - VI ZR 105/07, BGHZ 177, 237 Rn. 8 mwN;
BGH, Urteil vom 2. Oktober 1997 - I ZR 88/95, BGHZ 136, 380, 386; Zöller/
Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 293 Rn. 9 ff.).
a) Das anwendbare Recht bestimmt sich nach den Art. 40 ff. EGBGB.
Denn außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte
sind nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf
außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) vom
Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen (vgl. dazu MünchKomm
BGB/Junker, 5. Aufl., Art. 1 Rom II-VO Rn. 43). Auch § 3 TMG, dessen kollisionsrechtlicher
Charakter streitig ist (vgl. Senat, Vorabentscheidungsersuchen
vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08, VersR 2010, 226 Rn. 31 ff. mwN),
greift nicht ein. Denn die Beklagte hat ihren Sitz nicht in dem Geltungsbereich
der Richtlinien 2000/31/EG und 89/552/EWG, sondern in den Vereinigten Staaten
(vgl. MünchKommBGB/Martiny, 5. Aufl., Art. 9 Rom I-VO Anh. III. Rn. 71).
b) Maßgebend ist Art. 40 EGBGB, dem auch der Persönlichkeitsschutz
einschließlich sich daraus herleitender Unterlassungsansprüche unterfällt (vgl.
MünchKommBGB/Junker, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 85, und die Begründung
des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs BT-Drucks. 14/343, S. 10). Im Streitfall
ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts jedenfalls daraus, dass der
Kläger sein Bestimmungsrecht zugunsten deutschen Rechts gemäß Art. 40
Abs. 1 Satz 2 EGBGB in der Klageschrift ausgeübt hat.

aa) Dem Kläger stand ein Bestimmungsrecht nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2
EGBGB zu. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des
Landgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, liegt der nach Art. 40
Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort in Deutschland. Der Kläger, der
in Deutschland wohnt und Geschäfte betreibt, ist hier in seinem Persönlichkeitsrecht
betroffen; hier kollidiert sein Interesse an der Unterlassung der ehrverletzenden
Veröffentlichung mit dem Interesse des Bloggers daran, ein deutsches
Publikum über die behaupteten Machenschaften des Klägers zu informieren.
Daran ist auch im Fall der Klage gegen den Hostprovider anzuknüpfen.
bb) Den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ist auch eine
Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Kläger zu entnehmen. Im
Streitfall hat der Kläger sich in der Klageschrift vom 8. Juli 2008 auf deutsche
Rechtsnormen berufen und auch auf den vorgerichtlichen Schriftwechsel verwiesen.
Dazu gehört das Anwaltsschreiben vom 8. Februar 2008 (Anlage K6
zur Klageschrift vom 8. Juli 2008), auf das im Tatbestand des Berufungsurteils
Bezug genommen wird. In dem Schreiben bezieht sich der Kläger auf deutsches
Recht und widerspricht der E-Mail der Beklagten zu 1 vom 7. Februar
2008, in der sie für die Beklagte zu 2 die Auffassung vertreten hat, nur Recht
der Vereinigten Staaten sei anwendbar. Danach hat der Kläger bereits mit der
Klageschrift klar zum Ausdruck gebracht, dass deutsches Recht zur Anwendung
kommen soll.
3. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nach
deutschem Recht (§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
GG) ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht bejaht
werden.

a) Allerdings ist die Beklagte nicht bereits nach § 10 Satz 1 TMG von der
Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Sie hält
zwar als Diensteanbieter nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 TMG Telemedien im
Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG zur Nutzung bereit. Sie unterhält die Website
http://www.blogger.com und speichert die unter http://www.blogspot.com eingerichteten
Blogs, journal- oder tagebuchartige Webseiten mit chronologisch sortierten Beiträgen
des "Bloggers" (vgl. Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 2. Aufl., Kap. 1.7
Rn. 34), zum Zwecke des Abrufs. Die Beklagte fungiert damit als Hostprovider
(vgl. Art. 14 - "Hosting" - der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der
Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs,
im Binnenmarkt). Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1
TMG gilt aber nicht für Unterlassungsansprüche (st. Rspr., vgl. Senatsurteile
vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06, VersR 2007, 1004 Rn. 7 - Meinungsforum;
vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 17 - Domainverpächter;
BGH, Urteile vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119
Rn. 19 - Internet-Versteigerung II; vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, GRUR 2011,
152 Rn. 26 - Kinderhochstühle im Internet). Wie sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2
TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, betrifft
§ 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung
(vgl. Senatsurteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06, aaO; BGH,
Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 245 ff. - Internet-
Versteigerung I, zur Vorgängerregelung des § 11 Teledienstegesetz).
b) Die Beklagte trifft aber hinsichtlich des vom Kläger beanstandeten Eintrags
nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil sie ihn weder verfasst
noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht hat. Sie kann lediglich als Störerin in
Anspruch genommen werden, weil sie die technischen Möglichkeiten des Blogs
zur Verfügung gestellt hat.

aa) Als Störer ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in
irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des
Rechtsguts beiträgt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO
Rn. 13 f. - Domainverpächter; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01,
BGHZ 158, 236, 251 - Internet-Versteigerung I; Urteil vom 22. Juli 2010
- I ZR 139/08, aaO Rn. 45 - Kinderhochstühle im Internet; Urteil vom 17. August
2011 - I ZR 57/09, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, Rn. 20 - Stiftparfüm).
Indem die Beklagte die Website http://www.blogspot.com betreibt, dabei den
Speicherplatz für die von den Nutzern eingerichteten Webseiten bereitstellt und
den Abruf dieser Webseiten über das Internet ermöglicht, trägt sie willentlich
und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine
Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen.
bb) Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt
werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen
haben. Sie setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere
von Prüfungspflichten voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit
dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen
des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung
sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige
Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung
zuzumuten ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 18
- Domainverpächter; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158,
236, 251 - Internet-Versteigerung I; vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR
2008, 702 Rn. 50 - Internet-Versteigerung III; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR
57/09, aaO Rn. 20 - Stiftparfüm, jeweils mwN).

c) Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen gelten für die
Inanspruchnahme des Hostproviders unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung
für das Persönlichkeitsrecht verletzende Blogs die folgenden Maßstäbe.
aa) Ein Hostprovider ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das
Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen
zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der
Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung
seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann
der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen
zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158,
236, 252 - Internet-Versteigerung I; Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04,
BGHZ 172, 119 - Internet-Versteigerung II; Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR
18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 43 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; Urteil
vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 26 - Stiftparfüm). Diese Erwägungen
stehen im Einklang mit den Maßstäben, die der Gerichtshof der Europäischen
Union und der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Verantwortlichkeit von
Betreibern eines Internet-Marktplatzes für Markenrechtsverletzungen aufgestellt
haben (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09, EuZW 2011, 754
- L’Oreal/eBay; BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 22 ff.
- Stiftparfüm).
bb) Allerdings wird sich bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten
eine Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres feststellen lassen.
Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz
seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1,
Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10
EMRK geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist
der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die richtig
oder falsch sein kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts
unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog
Verantwortlichen erforderlich. Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig
folgende Pflichten:
Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis
so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen
des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und
tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des
insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen
des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen
auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der
anderen Seite.
Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für
den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme
innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist
von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete
Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der
Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte
Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen
und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete
Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder
legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung
nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder
den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung
des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts,
ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

d) Danach kann ein Unterlassungsanspruch des Klägers derzeit nicht bejaht
werden.
Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger
habe hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei der beanstandeten
Mitteilung betreffend die Verwendung der Visakarte um eine freie Erfindung
handelte, so dass die Beklagte in eine Prüfung habe eintreten müssen.
Dies hat die Beklagte indes zunächst getan, indem sie über die Beklagte
zu 1 in einen Schriftwechsel eintrat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
widersprach der Kläger dem Angebot der Beklagten zu 1 vom 7. Februar
2008, die Abmahnung des Klägers an den Blogger weiterzuleiten, unter dem
8. Februar 2008 und erteilte der Klägervertreter erst nach Klageerhebung durch
Schreiben vom 11. Dezember 2008 gegenüber den Beklagten die Erlaubnis zur
Weiterleitung an den Blogger, was die Beklagte unverzüglich veranlasste. Hinsichtlich
des weiteren Verlaufs stellt das Berufungsgericht lediglich fest, dass
die Seiten weiterhin abrufbar blieben.
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Parteien weiter hätten vortragen
können und vorgetragen hätten, wenn sie die oben dargestellten Maßstäbe
zu dem der Beklagten obliegenden Prüfungsvorgang in den Blick genommen
hätten. Hierzu ist ihnen nunmehr rechtliches Gehör zu gewähren.

III.
Die Sache ist demnach an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
damit dieses - eventuell nach ergänzendem Tatsachenvortrag der Parteien - die
noch notwendigen Feststellungen treffen kann. Gegebenenfalls wird auch die
Frage einer bestehenden Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr zu prüfen
sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 37 ff.
- Stiftparfüm). Für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Verurteilung
der Beklagten gelangt, wird es die Ausführungen der Revision zur Fassung
des Unterlassungsausspruchs in Erwägung ziehen müssen.

Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 22.05.2009 - 325 O 145/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 02.03.2010 - 7 U 70/09 -
Roman Pixel
 
Beiträge: 5
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 09:19

Bilddirdeinemeinung-Urteil 19.03.2013

Beitragvon MARS » Mi 5. Jun 2013, 22:57

wichtiger Hinweis : Im Gegensatz zu den meisten hier im Forum zitierten Urteilen ( Ausnahme : 2 BvR 1062/87 , BVerfG mit ähnlicher Problematik wie hier ) - welche wortwörtlich und vollständig zitiert wurden - wurden in diesem Urteil gewisse Passagen durch Sterne ( ****) ersetzt, da die betreffenden
Passagen Inhalte aus dem unantastbaren absolut geschützten Kernbereich der prvaten Lebensgestaltung des Herrn Kachelmann mitteilen ohne dass uns bekannt ist, ob Herr Kachelmann damit einverstanden war oder ist.
Sollte sich Herr Kachelmann damit einverstanden erklären, werden diese unkenntlich gemachten Bereiche durch den Originaltext ersetzt werden


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 93/12 Verkündet am:
19. März 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 823 Abs. 1 Db, G, § 1004 Abs. 1, GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens
über Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf sexuelle Neigungen
ergeben.
BGH, Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12 - OLG Köln
LG Köln
- 2 -
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des
15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. Februar
2012 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Köln vom
22. Juni 2011 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine
ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen
Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator
und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische
Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen
ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren
Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am
9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen
zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser
Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai
2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete
die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift
"Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt:
"Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin
‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Vergewaltigung
beweisen!
Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche
Tatnacht.
So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W.
(37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚***
ihn gewartet *** ************* ************.
Und weiter: ‚*** ****** ****** *** ************ und **** ********** *************."
Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner
ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über
diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der
öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken
verlesen:

"** *** **** *** *** *** *** ******* ********* *** *** *******, ****
*** ********** ****, ******* *** ****** **** ****, *** *** **** *********,
*** ********* ***, *** *** ******* **** ***** **********
**** ** ****** **** *** ***** ************* ***************. ** *****
****** *** ** ***** ******** ******** **** ************, *** *** **
****** **** ***** ** *** ***** **** ***** **** **** *********, **** ****
** ***** ******** *******, *** ***** *** *** *** *** *** *** **** *******,
**** *** **** ************, ***********."
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen,
zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: *** *********** *** ****************
**** ‚*** *** ******** *** ************* ************, ‚*** ******
**** *** ************ *** **** ********* *************, wenn dies geschieht
wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….-
Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht
ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende
Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in
der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger
unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht
hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel-
lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob
zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können.
Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter
der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend
gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB
analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten
Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines
Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage
seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden
Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu
bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des
Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren
handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die
eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange.
Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe
Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten
Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung
für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen
greife die Berichterstattung über ****************************************** des Klägers
erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der
Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit *******************
********* beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung"
werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens
bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die ***************
des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch
einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche
Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert
und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen
zum *********** des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor
dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung
über die ************** ************* ********* ********* nicht zulässig geworden.
Die Verlesung selbst habe Details aus dem *************** des Klägers
nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung
habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese
habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung
über das ********** des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise
in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen
sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den
Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll
berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit
von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in
der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss
der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht
dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1,
§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
GG nicht zu.
1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung
der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige
Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung
des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er
den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger
Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen
(BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.;
vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom
1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen
Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt.
Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche
Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift
nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A.
A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter
der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen
in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei
aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort
nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt
es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche
Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit,
selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als
einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft
geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers
auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen
Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92,
NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar
war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten
Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung
ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der
Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig,
wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil
vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009
- XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass
der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen
Folgen zu entziehen.

2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen
Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen.
Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner
Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze,
welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.

aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den
Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf
Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1,
Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10
EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu
entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts
liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine
Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt
werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen
Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention
interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des
Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile
vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober
2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012
- VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so
ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen
Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die
Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die
Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen,
begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit
an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker
sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen
Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein
über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer
Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und
seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile
vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember
2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08,
aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes
Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch
die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip
(Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung
zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR
4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350
Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung,
mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE
35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche
Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt
werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf
kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf
Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit
der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil
vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt
der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
(1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers
zugeordnet.
Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl.
Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom
11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien
über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für
jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand
der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung
zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer
Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht
dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung
über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember
2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung,
ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre
oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung
angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten
will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher
Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der
Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09,
VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357
Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch
davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil
vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt,
Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem
unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität
an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE
119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in
das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf
körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten
Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten
Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
(2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht
nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht.
Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse
der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein
Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden
Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner
Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft
noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum
steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW
2009, 3357 Rn. 28).
(3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche
Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung
anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen
außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist
grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen
Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c
Rn. 25).
(4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte,
ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem
Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil
vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202,
232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von
Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung
des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung
kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche
Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in
einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem
Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen
aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung
der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn
auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht,
der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine
erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung
des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für
eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom
20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012
- VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht
bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass
er als Person mit ******************* ********* dargestellt wird und dies
seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der
Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen
Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR
332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren
des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch
besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche
Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom
13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch
erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs.
Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete
Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR
292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR
2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe
auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in
der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr
(Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986,
1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr
kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits
geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung
tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu
beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO
Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen
Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als
nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR
292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung
der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen
würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls
in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete
(vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung
des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien
noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des
Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem
Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche
eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten
ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich-
keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden
anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung
der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung
oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom
20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012
- VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen
Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers **** ******* *** ***
**************** *** **************** **************** ******* - **** **
***************** **** - ******** ***. Es kann unterstellt werden, dass
den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale
Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die
mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart
schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine
dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre,
die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste
(vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an
dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten
und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen,
welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem
Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für
die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen
sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung
von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September
1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10,
juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene
Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe
der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der
schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die
Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines
möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit
der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf
besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht
mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen
Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden
Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht
mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls
in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt
geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch
nicht mehr.
cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung
wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch
am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr,
die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile
vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni
2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden
Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist.
Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht
des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf
nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher
Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung
unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni
2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende
Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist
auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren
freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er-
forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls
noch nicht zu begründen.
Galke Wellner Diederichsen
Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11
MARS
 
Beiträge: 244
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 18:54

BGH-Urteil VI ZR 269/12 (hier : Urteilstext)

Beitragvon Roman Pixel » So 9. Jun 2013, 14:24

BGH -URTEIL
VI ZR 269/12 Verkündet am:
14. Mai 2013


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES

a) Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion
auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender
Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch,
setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten
voraus.

b) Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der
rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.

c) Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines
Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige
Verletzungen zu verhindern.

BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12 - OLG Köln
LG Köln

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 15. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 10. Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Internet über ein "Network-
Marketing-System" Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt,
sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen
die Beklagte mit Sitz in den USA, die unter der Internetadresse
"www.google.de" eine Internet-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs- und
Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in
die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Trefferliste
auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April
2009 hat die Beklagte eine "Autocomplete"-Funktion in ihre Suchmaschine inte-
griert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe
variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem
sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge
("predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt werden. Die im Rahmen
dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf
der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern
eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Namens
R.S. in dem sich im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion öffnenden
Fenster als Suchvorschläge die Wortkombinationen "R.S. (voller Name) Scientology"
und "R.S. (voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich die
Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie
haben u.a. behauptet, der Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang
mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes
Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. In keinem einzigen Suchergebnis
sei eine Verbindung zwischen dem Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug"
ersichtlich.

Die Kläger haben zunächst im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung
vom 12. Mai 2010 erwirkt, durch die der Beklagten untersagt wurde, auf
der Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers
zu 2 als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden
Kombinationsbegriffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen. Nach der Zustellung
der Beschlussverfügung an die damalige administrative Ansprechpartnerin
der Beklagten in Deutschland am 27. Mai 2010 erschienen die beanstandeten
Ergänzungsvorschläge nicht mehr. Die Beklagte hat eine Abschlusserklärung
verweigert. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verlangen die Kläger
über das bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemachte
Unterlassungsbegehren hinaus Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten
und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer Geldentschädigung. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der
Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht u.a. in GRUR-RR 2012, 486
und ZUM 2012, 987 m. Anm. Seitz) hat sowohl die internationale Zuständigkeit
als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts bejaht. Es hat jedoch die Klage
nicht als begründet erachtet, weil den automatisierten Suchergänzungsvorschlägen
in der Suchmaschine der Beklagten bei Eingabe des Namens des
Klägers zu 2 kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. Die angezeigten
Suchergänzungsbegriffe "R.S. Scientology" und "R.S. Betrug" enthielten keine
(eigene) Aussage der Beklagten mit dem Inhalt, dass R.S. Mitglied bei Scientology
sei oder dieser Sekte zumindest positiv gegenüberstehe oder Täter oder
Teilnehmer eines Betruges sei. Es begegne bereits Zweifeln, ob den Begriffskombinationen
überhaupt eine solche Konnotation bzw. ein insofern aus sich
heraus verständlicher Sinngehalt beigemessen werden könne. Letztlich könne
dies indessen offenbleiben, da es nach dem Erfahrungshorizont der Nutzer der
Suchmaschine der Beklagten fernliege, die streitgegenständlichen Ergänzungssuchbegriffe
als Äußerungen zu verstehen, mit denen inhaltliche Bezüge zwischen
dem eingegebenen Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergänzungsvorschlägen
durch die Beklagte hergestellt würden. Eine hiervon abweichende
Würdigung ergebe sich weder aus den von den Klägern vorgebrachten Manipu-
lationsversuchen noch aus Presseberichterstattungen über ähnliche Vorgänge
noch aus den Ergebnissen der von den Klägern zur Akte gereichten Verkehrsbefragung.
Ein Anlass für die von den Klägern beantragte Einholung eines demoskopischen
Sachverständigengutachtens bestehe nicht, da die Mitglieder
des erkennenden Senats zu dem angesprochenen Adressatenkreis, nämlich
dem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten der
streitgegenständlichen Ergänzungssuchbegriffe, gehörten. Aus Sicht eines solchen
Durchschnittsrezipienten lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe
lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine der Beklagten entnehmen,
dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur
Recherche eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in
verlinkten Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Diese Aussage sei
wahr und daher von den Klägern hinzunehmen.

II.

Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht die Klage für zulässig
erachtet.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit
der deutschen Gerichte in entsprechender Anwendung des § 32 ZPO bejaht.
Zwar genügt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Begründung
der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Rahmen
des § 32 ZPO nicht, dass der Kläger den Mittelpunkt seiner Interessen im Inland
hat; erforderlich ist vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandeten
Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen,
dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an
der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten
an der Gestaltung seines Internetauftritts andererseits - nach den Umständen
des konkreten Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Meldung,
im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann (vgl. Senatsurteile
vom 29. März 2011 - VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059 und vom 2. März 2010
- VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts im Streitfall gegeben, da eine Kenntnisnahme
der beanstandeten Suchergänzungsvorschläge im Inland erheblich näher liegt
als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der Meldung der Fall wäre und die von
den Klägern geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts
durch Kenntnisnahme der Suchergänzungsvorschläge auch im Inland eintreten
würde. Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit entsprechend § 39 ZPO auch
aufgrund rügeloser Einlassung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1987 - II ZR
280/86, BGHZ 101, 296, 301).

b) Das Berufungsgericht hat den - auch die alternative Verwendung der
streitgegenständlichen Ergänzungsbegriffe umfassenden - Unterlassungsantrag
für hinreichend bestimmt angesehen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das
nimmt die Revision als ihr günstig hin und begegnet auch keinen rechtlichen
Bedenken.

2. Die Begründetheit der Klage kann jedoch - entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts - aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht
verneint werden.

a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler deutsches Recht angewandt.
Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus uner-
laubter Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige
gehandelt hat. Der Verletzte kann jedoch nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2
und 3 EGBGB im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins
oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens verlangen, dass anstelle dieses
Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten
ist. Von dieser Möglichkeit haben die Kläger im Streitfall Gebrauch gemacht.
Der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland.
Hier wird die Achtung des in Deutschland wohnhaften Klägers zu 2 bzw.
der Klägerin zu 1 mit Sitz in Deutschland gestört bzw. gefährdet (vgl. Senatsurteil
vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 31 - auch zur Nichtanwendbarkeit
der Rom II-Verordnung (Rn. 22) und zu § 3 TMG als sachlichrechtliches
Beschränkungsverbot (Rn. 30)).

b) Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger
entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Artt. 1, 2 GG gegen die Beklagte
als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beinhalten die
Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des
Vor- und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten
eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein
verletzender Aussagegehalt innewohnt.

(1) Der mit dem Begriff "Scientology" in Verbindung mit dem Namen einer
real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt lässt sich
- wie schon das Berufungsgericht in Betracht gezogen hat - hinreichend dahin
spezifizieren, dass zwischen dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt durch
eine vorangegangene Medienberichterstattung konkrete Vorstellungen existieren,
und der namentlich erwähnten Person eine Verbindung besteht. Diese
Verbindung ist geeignet, eine aus sich heraus aussagekräftige Vorstellung hervorzurufen.

(2) Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es dem Begriff
des Betrugs eine inhaltliche Aussagekraft mit der Begründung absprechen
will, dass mit diesem Begriff ein vielfältiges, unspezifisches Bedeutungsspektrum
verbunden sei. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung
ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen
Publikums (vgl. BVerfGE 93, 266, 295). Zwar mag es zutreffen, dass von
einem durchschnittlichen Internetnutzer unter "Betrug" nicht die Verwirklichung
eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes verstanden werden muss.
Jedoch verbindet der Durchschnittsleser mit der Verwendung dieses Begriffes
zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleiht
ihm damit einen hinreichend konkreten Aussagegehalt (vgl. BVerfG, NJW 2012,
1643 Rn. 42).

(3) Das Berufungsgericht hat den von der Suchmaschine der Beklagten
angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage entnommen,
dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche
eingegeben haben oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten
Drittinhalten auffinden lassen (vgl. auch Härting K & R 2012, 633;
Heckmann AnwZert ITR 18/2012 Anm. 1; Brosch AnwZert ITR 20/2012 Anm. 2;
a.A. Weltig MMR 2011 Nr. 12 V f.; Seitz ZUM 2012, 994, 995 f.; s. auch Meyer
K & R 2013, 221, 225 f. mwN auch zur Rechtsprechung ausländischer Gerichte).
Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende
Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs
angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen
Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält ihn jedenfalls für möglich.
Aus dem "Ozean von Daten" werden dem suchenden Internetnutzer von der
Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge
präsentiert, die nur zufällig "Treffer" liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer
möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der
Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - auf inhaltlich weiterführende
ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm
bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem
Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem
fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht
in der - in der Praxis oft bestätigten - Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff
bereits verwandten Wortkombinationen - je häufiger desto eher - dem aktuell
suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend
angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln.
Diese Erwartung hat das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Aussagegehalts
der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschläge
nicht berücksichtigt. Sie führt im Streitfall dazu, dass den bei
Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers zu 2 "automatisch" angezeigten
Ergänzungssuchvorschlägen "r. s. scientology" und "r. s. betrug" die Aussage
zu entnehmen ist, zwischen dem Kläger zu 2 und den - negativ konnotierten -
Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang.
bb) Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger ist der
Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen
Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der
Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Die Verknüpfungen
der Begriffe werden von der Suchmaschine der Beklagten und nicht von einem
Dritten hergestellt. Sie werden von der Beklagten im Netz zum Abruf bereitgehalten
und stammen deshalb unmittelbar von ihr.

c) Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung
durch Suchvorschläge haftet.

aa) Zwar ist die Beklagte nicht bereits nach § 10 Telemediengesetz
(künftig: TMG) von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen
Website befreit.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte zutreffend als Diensteanbieter
(§ 2 Satz 1 Nr. 1 TMG) qualifiziert, der eigene Informationen zur Nutzung bereit
hält und deshalb gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen
- mithin auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB - verantwortlich ist (vgl. Senatsurteil
vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 13 f. s. auch Heckmann,
aaO; a.A. Brosch, aaO). Die Kläger nehmen die Beklagte nicht wegen
der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informationen,
sondern wegen einer eigenen Information in Anspruch, konkret wegen der
als Ergebnisse ihres Autocomplete-Hilfsprogramms dem Nutzer ihrer Internet-
Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge. Es geht mithin um
einen von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen "eigenen" Inhalt und
nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten, für
die der Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich
ist.

bb) Es bedarf aber wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines
Rahmenrechts einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten
Belange, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie
die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention
interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Se-
natsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523; vom
11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und - VI ZR 7/07, VersR
2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17;
vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom
20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348
mwN; 120, 180, 200 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 17; AfP 2009, 480
Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn
das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen
Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR
2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220
Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353
Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673
Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO).
cc) Danach sind das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte
einerseits und die durch Artt. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG geschützten
Interessen der Beklagten auf Meinungs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit
andererseits abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die
Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem eigenen geschäftlichen Interesse in der
beschriebenen Weise betreibt, um Nutzer wegen der Effektivität der Suche an
sich zu binden. Doch ziehen die Nutzer ihrerseits daraus den Vorteil einer begriffsorientierten
Suche nach Daten und Informationen. Auch die Kläger wenden
sich nicht dagegen, dass mittels der Suchmaschine persönliche Daten, wie der
Name des Klägers zu 2 und sein Bezug zur Klägerin zu 1, aufgefunden werden
können. Auf Seiten der Kläger ist für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften
Begriffe einen unwahren Aussagegehalt haben, weil der Kläger zu 2
- wovon nach dem Vortrag der Kläger revisionsrechtlich auszugehen ist - weder
in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden kann noch Scientology angehört
oder auch nur nahe steht. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssen
nicht hingenommen werden (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08,
VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63,
Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500
Rn. 39).

d) Ist mithin nach den vorstehenden Grundsätzen davon auszugehen,
dass die beanstandeten Suchwortergänzungsvorschläge das Persönlichkeitsrecht
der Kläger verletzen, kann eine Haftung der Beklagten als Störerin nicht
von vornherein verneint werden.
aa) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist - ohne Rücksicht darauf, ob
ihn ein Verschulden trifft - jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat
oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer
Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein
Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang
des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung
der Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach
der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (vgl. Senat,
Urteile vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800; vom 27. Mai
1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR
373/02, VersR 2004, 522, 524). Als (Mit-)Störer kann auch jeder haften, der in
irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der
rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der in Anspruch Genommene
die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.
Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen, dass dem in
Anspruch Genommenen die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die
Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist Verschulden nicht
erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009,
1417 Rn. 13, vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, aaO mwN; BGH, Urteil
vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff.; Diederichsen,
FS Müller, 2009 S. 507, 523).
bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte deshalb uneingeschränkt
und unabhängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haftet. Denn nach
den besonderen Umständen des Streitfalles liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit
in einem Unterlassen.

(1) Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbeitenden
Software ist der Beklagten nicht vorzuwerfen; hierbei handelt es sich
vielmehr um eine durch Artt. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit. Das
Suchmaschinenangebot der Beklagten zielt auch nicht von vornherein auf eine
Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person gerichtete unwahre
Tatsachenbehauptung ab. Nur durch das Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens
können ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen. Die Tätigkeit
der Beklagten ist andererseits aber nicht nur rein technischer, automatischer
und passiver Art (anders liegen die Fälle: Google France/Louis Vuitton
EuGH, Urteil vom 23. März 2010 - C-236/08 bis C-238/08, NJW 2010, 2029
Rn. 114 und BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291
Rn. 39 - Vorschaubilder - jeweils zum Hostprivileg nach Art. 14 Abs. 1 der
Richtlinie 2000/31/EG). Sie ist nicht ausschließlich beschränkt auf die Bereitstellung
von Informationen für den Zugriff durch Dritte. Die Beklagte verarbeitet
vielmehr die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das Begriffsverbindungen
bildet. Für deren Angebot in Form eigener Suchvorschläge
ist die Beklagte grundsätzlich aufgrund der ihr zuzurechnenden Erarbeitung
verantwortlich. Der Beklagten kann deshalb grundsätzlich nur vorgeworfen werden,
keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern,
dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

(2) Bei Beeinträchtigungen, die eine pflichtwidrige Unterlassung als (Mit-)
Ursache haben, ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Haftung eine fallweise
wertende Betrachtung erforderlich. Die Verantwortlichkeit des Unterlassenden
wird durch die Kriterien der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erfolgsverhinderung
begrenzt.
Dabei kann sich die Möglichkeit der Beseitigung einer Beeinträchtigung
daraus ergeben, dass der Betroffene die Quelle der Störung beherrscht oder
Einfluss auf jemanden nehmen kann, der zur Beendigung der Beeinträchtigung
in der Lage ist (Erman/Ebbing, BGB, 13. Aufl., § 1004 Rn. 120). Ist dies der
Fall, kann für die Zumutbarkeit der Beseitigung der Beeinträchtigung eine dem
Betroffenen obliegende Überwachungspflicht von Bedeutung sein (vgl. BGH,
Beschluss vom 19. Dezember 1960 - GSZ 1/60, BGHZ 34, 99, 108 f.).
Voraussetzung einer Haftung des Betreibers einer Suchmaschine mit
entsprechender Hilfsfunktion ist daher ebenso wie bei der Haftung eines Hostproviders
wegen der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung
eines Dritten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10,
BGHZ 191, 219) eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie
deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen
Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen
dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen
Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung
entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und
inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung
zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188
Rn. 38; vom 10. Oktober 1996 - I ZR 129/94, NJW 1997, 2180, 2181 f. = WRP
1997, 325 - Architektenwettbewerb; Urteil vom 17. Mai 2001 - I ZR 251/99,
BGHZ 148, 13, 17 f. - ambiente.de; Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01,
BGHZ 158, 236, 251 - Internetversteigerung I, vom 17. Dezember 2010 - V ZR
44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff., jeweils mwN).
Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet,
die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell
vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb
einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer dienenden
Suchergänzungsfunktion wenn nicht gar unmöglich machen, so doch
unzumutbar erschweren. Eine entsprechende präventive Filterfunktion kann
zwar für bestimmte Bereiche, wie etwa Kinderpornographie, erforderlich und
realisierbar sein, sie vermag jedoch nicht allen denkbaren Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung
vorzubeugen. Den Betreiber einer Internet-
Suchmaschine trifft deshalb grundsätzlich erst dann eine Prüfungspflicht, wenn
er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber
einer Internet-Suchmaschine auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts
hin, ist der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig
derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012
- VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 19).

3. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - eine rechtliche
Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten
ebenso wenig vorgenommen wie unter dem Gesichtspunkt des - nur in engen
Grenzen zu gewährenden (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2012 - VI ZR
123/11, VersR 2012, 630 Rn. 15 mwN) - Anspruchs auf Geldentschädigung und
des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies wird es
nachzuholen haben.

Galke Wellner Diederichsen
Pauge von Pentz
Roman Pixel
 
Beiträge: 5
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 09:19

Re: BGH-Urteile

Beitragvon MARS » Do 29. Aug 2013, 10:36

BGH- Beschluss v. 13.2.2007 - 1 StR 6/07

Fall Mollath


Hinweis :

Leider können wir diesen wichtigen Beschluss hier noch nicht veröffentlichen. Es handelt sich um einen Beschluß , mit dem die Revision gegen das Mollath-Urteil des LG Nürnberg-Fürth -7 KLs 802Js 4743/2003 zurückgewiesen wurde.

Es ist ein anonymes Anschreiben an RA Dr. hc G. Strate, den Verteidiger des Herrn G.Mollath, unterwegs, in welchem der Verteidiger gebeten wird sich hier im Forum zu registrieren und uns sodann den Beschluss für die Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen.





MARS
MARS
 
Beiträge: 244
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 18:54

BGH-Urteil fliegender Gerichtsstand

Beitragvon MARS » So 16. Feb 2014, 16:31

BGH-Urteil VI ZR 23/09 vom
2. März 2010



BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 23/09 Verkündet am:
2. März 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO § 32; BGB §§ 823 Abs. 1 Ah, 1004 Abs. 1 Satz 2
a) Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen
durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen
international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte
objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass
eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der
Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an
der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits
- nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund
des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten
sein kann oder eintreten kann.
b) Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten
Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich
näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall
wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts
durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten
würde.
BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
- 2 -
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen,
die Richter Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2008 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf ein Verbot des
Bereithaltens der beanstandeten Äußerungen zum Abruf im Internet
gerichtete Unterlassungsklage des Klägers als unzulässig abgewiesen
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der in Deutschland wohnhafte Kläger nimmt die Verlegerin der Tageszeitung
"The New York Times" sowie den in New York ansässigen Autor eines am
12. Juni 2001 in der Printausgabe der Zeitung veröffentlichten und am selben
Tag in den Internetauftritt der Zeitung eingestellten und dort im "Online-Archiv"
1
- 3 -
zum Abruf bereit gehaltenen Artikels, durch den sich der Kläger in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, auf Unterlassung in Anspruch.
Der beanstandete Artikel befasst sich mit einem in der Stadt New York
eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen R. L. und das von ihm beherrschte
Unternehmen C.E.M. wegen Bestechung ukrainischer Regierungsangestellter.
In dem Artikel wird der Kläger namentlich erwähnt und als Goldschmuggler und
Täter einer Unterschlagung bezeichnet, dessen Unternehmen in Deutschland
nach Berichten der amerikanischen und deutschen Ermittlungsbehörden Teil
der russischen organisierten Kriminalität sei. Es wird behauptet, der Kläger habe
Verbindungen zum organisierten Verbrechen in Russland und ihm sei die
Einreise in die USA untersagt.
2
Beide Vorinstanzen haben die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte verneint und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Mit seiner
vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter, soweit es darauf gerichtet ist, den Beklagten zu untersagen, die beanstandeten
Äußerungen im Internet zum Abruf bereit zu halten.
3
- 4 -
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in AfP 2009, 159 veröffentlicht
ist, hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 32 ZPO
verneint, weil die vom Kläger behauptete Verletzung seines Persönlichkeitsrechts
durch den beanstandeten Artikel nicht in Deutschland begangen worden
sei. Die Printausgabe der "New York Times" vom 12. Juni 2001 sei nicht im regelmäßigen
Geschäftsverkehr nach Deutschland ausgeliefert worden, weshalb
es an einer zuständigkeitsbegründenden Verbreitung im Inland fehle.
4
Auch die Veröffentlichung des Artikels im Internet begründe keinen Gerichtsstand
in Deutschland. Der Artikel weise nicht den erforderlichen Inlandsbezug
auf. Er richte sich nicht gezielt bzw. bestimmungsgemäß an Internetnutzer
in Deutschland. Für diese Beurteilung sei insbesondere maßgebend, dass
der Artikel lediglich im Lokalteil der "New York Times" abrufbar und deshalb von
seinem äußeren Erscheinungsbild her auf das amerikanische, insbesondere
das Publikum im Raum New York, abgestimmt sei. Die Sachlage sei insoweit
vergleichbar mit der Online-Ausgabe einer lokalen oder regionalen Tageszeitung
mit vornehmlich lokalen Inhalten, die typischerweise objektiv auf die entsprechende
Region ausgerichtet seien. Es sei deshalb anzunehmen, dass der
Artikel im Ausland kaum auf nennenswertes Interesse stoße. Dass Deutschland
in der Online-Ausgabe der "New York Times" als "country of residence" genannt
werde, führe ebenso wenig zu einer anderen Beurteilung wie die Tatsache,
dass 14.484 Leser im Juni 2001 im Wege der Selbstauskunft Deutschland als
Wohnsitz angegeben hätten; denn dies entspreche lediglich einem Anteil von
etwa einem halben Prozent der gesamten registrierten Online-Leserschaft der
5
- 5 -
"New York Times" und bedeute unter Spürbarkeitsgesichtspunkten eine zu vernachlässigende
Auswirkung im inländischen Marktbereich. Unerheblich sei, ob
der beanstandete Artikel gerade auch in Deutschland Aufsehen erregt habe und
dort von der deutschen Presse zitiert worden sei. Dass der Kläger in Deutschland
einen Wohnsitz habe und in dem Artikel im Zusammenhang mit Straftaten
genannt werde, begründe den erforderlichen Inlandsbezug ebenfalls nicht.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.
6
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass
sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der
Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. BGHZ
153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 70/06 - TranspR
2009, 26 Tz. 17 = VersR 2009, 807 m.w.N; vom 22. Oktober 2009 - I ZR 88/07 -
TranspR 2009, 479), nach § 32 ZPO bestimmt. Denn die Vorschriften über die
örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) regeln mittelbar auch die Grenzziehung
zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte (vgl. Senatsurteil
vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - NJW 1977, 1590; BGH, Urteil vom
22. November 1994 - XI ZR 45/91 - NJW 1995, 1225, 1226 jeweils m.w.N.).
7
1. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht
zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Zur Begründung
der Zuständigkeit genügt es, wenn der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet,
aus denen sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt
8
- 6 -
(vgl. BGHZ 124, 237, 241; 132, 105, 110 f., jeweils m.w.N.). Begehungsort der
deliktischen Handlung ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort,
so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung
begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen
wurde (vgl. BGHZ 132, 105, 110 f.). Erfasst werden neben Ansprüchen
auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche (vgl. BGH, Beschluss vom
17. März 1994 - I ZR 304/91 - AfP 1994, 288, 290; Zöller/Vollkommer, ZPO,
28. Aufl., § 32 Rn. 14, 16; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 32 Rn. 23). § 32
ZPO setzt nicht voraus, dass eine Rechtsgutsverletzung eingetreten ist. Es genügt,
wenn eine solche droht, so dass auch vorbeugende Klagen in den Anwendungsbereich
dieser Bestimmung fallen.
2. In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche Anknüpfungskriterien
für die Bestimmung und Abgrenzung des Ortes, an dem in ein
geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde bzw. an dem ein solcher Eingriff
droht, maßgeblich sind, wenn die behauptete Rechtsgutsverletzung durch den
Abruf von auf einer Internet-Website eingestellten Inhalten eintritt oder einzutreten
droht.
9
a) Zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch ehrverletzende Äußerungen
in einem Druckerzeugnis hat der erkennende Senat entschieden, dass die
Rechtsgutsverletzung u.a. an dem Ort "begangen" werde, an dem das Presseerzeugnis
verbreitet werde (Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO,
S. 1590 f.). Von einem Verbreiten könne allerdings nur dann die Rede sein,
wenn der Inhalt des Presseerzeugnisses dritten Personen bestimmungsgemäß
und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht werde. Es könne nicht ausreichen,
dass nur hier und da einmal durch Dritte ein oder mehrere Exemplare in ein
Gebiet gelangten, das von der Betriebsorganisation des Verlegers oder Her-
10
- 7 -
ausgebers nicht erfasst und in das das Druckerzeugnis nicht regelmäßig geliefert
werde (ebenda).
b) Die genannte Entscheidung kann auf Internetdelikte allerdings nicht
ohne weiteres übertragen werden. Internetinhalte werden regelmäßig nicht
"verbreitet", sondern zum Abruf bereit gehalten (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber,
Handbuch Multimedia-Recht, Stand Juni 2009, Kap. 25 Rn. 210; vgl. auch die
Formulierung in § 7 Abs. 1 TMG: Informationen, die Diensteanbieter "zur Nutzung
bereit halten"). Im Gegensatz zu Druckerzeugnissen lässt sich im Internet
auch ein räumlich abgegrenztes Verbreitungsgebiet einer Website nur schwer
bestimmen (vgl. Roth, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, S. 254 f.). Dementsprechend ist
die Übertragbarkeit der vom Senat entwickelten Einschränkung auf Delikte im
Internet ebenso umstritten wie im Falle der grundsätzlichen Bejahung eines Erfordernisses
der bestimmungsgemäßen "Verbreitung" dessen Konkretisierung
(vgl. zum Meinungsstand Roth, aaO, S. 232 ff.).
11
aa) Ein Teil der Instanzgerichte und der Literatur hält im Hinblick auf den
Charakter des World-Wide-Web die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden
Inhalte im Inland ohne weiteres für zuständigkeitsbegründend (vgl.
Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien,
3. Aufl., Rn. 831; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. Art. 5
EuGVVO Rn. 23; Bachmann, IPrax 1998, 179, 184; Coester-Waltjen, Festschrift
für Schütze, 1999, S. 175, 184; Spindler, ZUM 1996, 533, 562; Schack MMR
2000, 135, 138 f.; zum Kennzeichenrecht: OLG Karlsruhe, MMR 2002, 814,
815; OLG Hamburg, MMR 2002, 822, 823; OLG Hamburg, IPrax 2004, 125,
126; zum Namensrecht: OLG München, MMR 2002, 166, 167; zum Persönlichkeitsrecht:
KG AfP 2006, 258, 259).
12
- 8 -
bb) Andere nehmen einen Erfolgsort bei Internetdelikten im Inland sowohl
im Rahmen des § 32 ZPO als auch im Rahmen der - § 32 ZPO im Wesentlichen
gleichgelagerten - Bestimmung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/EuGVVO nur
dann an, wenn der beanstandete Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung
des Betreibers im Inland abrufbar ist (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber,
aaO, Rn. 207 ff. m.w.N.). So hält der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ
bei Wettbewerbsverletzungen nur dann für gegeben, wenn sich der beanstandete
Internetauftritt bestimmungsgemäß im Inland auswirken soll bzw. sich bestimmungsgemäß
auch an deutsche Internetnutzer richtet (vgl. BGHZ 167, 91,
98 f.). Diese Grundsätze haben verschiedene Instanzgerichte zur Vermeidung
einer uferlosen Gerichtspflichtigkeit des Beklagten auf Urheberrechtsverletzungen
(OLG Köln, GRUR-RR 2008, 71), Namensrechtsverletzungen (KG, NJW
1997, 3321), Kennzeichenverletzungen (LG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 979,
980), Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (LG Krefeld,
AfP 2008, 99, 100) und auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen (OLG Celle,
OLGR 2003, 47; OLG Düsseldorf, AfP 2009, 159; AG Charlottenburg, MMR
2006, 254, 255) übertragen.
13
cc) Das Tribunal de grande instance de Paris hält im Anwendungsbereich
des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO die Anzahl der Abrufe der rechtsverletzenden
Inhalte vom Gerichtsstaat für ein maßgebliches Abgrenzungskriterium (vgl. Ordonnance
du Juge de la Mise en Etat, rendue le 27 Avril 2009, 17. Ch. Presse-
Civile, Nr. Rg. 08/15331 sowie Ordonnance du Juge de la Mise en Etat, rendue
le 6 Juillet 2009, 17. Ch. Presse-Civile, Nr. Rg. 08/15331 = Vorabentscheidungsersuchen
in der Rechtssache C-278/09 - Verfahren erledigt durch die Unzuständigkeit
feststellenden Beschluss des EuGH vom 20. November 2009,
ABl. C 24/18 vom 30. Januar 2010).
14
- 9 -
dd) Für Kennzeichenverletzungen neigt der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zu einer Begrenzung
der Gerichtsstände auf diejenigen, in deren Zuständigkeitsbereich eine
Interessenkollision tatsächlich eingetreten sein kann (BGH, Urteil vom
13. Oktober 2004 - I ZR 163/02 - NJW 2005, 1435, 1436; ähnlich Roth, aaO,
S. 276 ff.; von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, S. 80 ff.,
88). Ähnliche Erwägungen liegen der Entscheidung des 1. Strafsenats des
Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2000 (BGHSt 46, 212) zugrunde. Danach
tritt dann, wenn ein Ausländer von ihm verfasste Äußerungen, die den
Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, auf einem ausländischen Server in
das Internet einstellt, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, ein zum
Tatbestand gehörender Erfolg im Inland ein, wenn die Äußerungen konkret zur
Friedensstörung im Inland geeignet sind (ebenda).
15
c) Für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Internetveröffentlichungen
ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte entsprechend
der zuletzt genannten Auffassung zu bestimmen.
16
aa) Die Ansicht, die die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte
für zuständigkeitsbegründend hält, widerspricht dem Sinn und Zweck des § 32
ZPO. Die in dieser Bestimmung geregelte Tatortanknüpfung stellt eine Ausnahme
von dem Grundsatz dar, dass die Klage am Gerichtsstand des Beklagten
zu erheben ist (actor sequitur forum rei, vgl. BGHZ 115, 90, 92; Pichler in
Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 9 ff.). Ihre Rechtfertigung liegt in der durch den Handlungs-
oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum
Forum (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO; Pichler in Hoeren/
Sieber, aaO, Rn. 180, 195; Bachmann, aaO, S. 181; Roth, aaO, S. 276;
Zöller-Vollkommer, aaO, § 32 Rn. 1). Eine besondere Beziehung zu einem bestimmten
Forum wird durch die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhal-
17
- 10 -
te allein jedoch nicht begründet. Denn die Abrufbarkeit einer Website ist infolge
der technischen Rahmenbedingungen in jedem Staat gegeben. Ließe man die
bloße Abrufbarkeit genügen, so käme es zu einer uferlosen Ausweitung der
Gerichtspflichtigkeit des Beklagten, die den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien
der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstände, der Reduzierung konkurrierender
Zuständigkeiten und der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit
der potentiellen Gerichtspflichtigkeit eklatant zuwiderliefe (vgl. Pichler
in Hoeren/Sieber, aaO, Rn. 198).
bb) Um das zu vermeiden, ist ein über die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden
Inhalte hinausgehender Inlandsbezug erforderlich (vgl. Senatsbeschluss
vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08 - VersR 2010, 226 Rn. 19).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein derartiger Bezug bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen aber nicht voraussetzen, dass sich die beanstandete
Website "gezielt" oder "bestimmungsgemäß" auch an deutsche Internetnutzer
richten soll. Dieses Einschränkungskriterium, das bei marktbezogenen
Delikten wie Wettbewerbsverletzungen seine Berechtigung hat, ist für die
erforderliche Begrenzung der ansonsten bestehenden Vielzahl von Gerichtsständen
bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht geeignet. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung
setzt keine Marktbeeinflussung voraus, sondern tritt unabhängig
von den Intentionen des Verletzers mit der Kenntnisnahme des
rechtsverletzenden Inhalts durch Dritte ein (vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, aaO,
Rn. 229, 251; von Hinden, aaO, S. 83).
18
cc) Der Senat misst auch der Anzahl der Abrufe der rechtsverletzenden
Inhalte vom Gerichtsstaat aus jedenfalls bei Unterlassungsansprüchen keine
über ein bloßes Indiz hinausgehende Bedeutung für die Bestimmung des erforderlichen
Inlandsbezugs zu. Denn zum einen ist die Anzahl der erfolgten Abrufe
nicht immer zuverlässig feststellbar; zum anderen ist sie dem insoweit darle-
19
- 11 -
gungs- und beweisbelasteten Kläger schon aus Datenschutzgründen nicht uneingeschränkt
zugänglich (vgl. Roth, aaO., S. 232 ff.). Abgesehen davon ist der
Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet und setzt keine bereits eingetretene
Rechtsgutsverletzung voraus.
dd) Entscheidend ist vielmehr, ob die als rechtsverletzend beanstandeten
Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen,
dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an
der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten
an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits
- nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des
Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann
oder eintreten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 10. November 2009 - VI ZR
217/08 - aaO, Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 - I ZR 163/02 - aaO;
Pichler, in: Hoeren/Sieber aaO, Kap. 25 Rn. 210; Lütcke, Persönlichkeitsrechtsverletzungen
im Internet, 2000, S. 135, 137; Roth aaO, S. 276 f.; ähnlich High
Court of Australia, Urteil vom 10. Dezember 2002 - Dow Jones and Company
Inc. v. Gutnick [2002] HCA 56; 210 CLR 575; 194 ALR 433; 77 ALJR 255, abrufbar
unter http://www.austlii.edu.au/au/cases/cth/HCA/2002/56.html). Dies ist
dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung
nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als
dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre (vgl. Roth
aaO, S. 278 ff.) und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts
durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten
würde (vgl. Bachmann, IPrax 1998, 179, 185; Pichler in Hoeren/Sieber,
aaO, Rn. 251; Roth aaO, S. 282 ff.).
20
- 12 -
3. Nach diesen Grundsätzen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte zur Entscheidung über den in der Revisionsinstanz noch anhängigen
Unterlassungsanspruch gemäß § 32 ZPO zu bejahen. Die angegriffenen
Äußerungen weisen schon inhaltlich einen deutlichen Inlandsbezug auf, der
ein erhebliches Interesse deutscher Internetnutzer an ihrer Kenntnisnahme nahe
legt. In dem angegriffenen Artikel wird der in Deutschland wohnhafte Kläger
namentlich genannt. Ihm werden unter Berufung auf Berichte europäischer
Strafverfolgungsbehörden Verbindungen zur russischen Mafia nachgesagt. Es
wird behauptet, seine Firma in Deutschland sei ausweislich der Berichte deutscher
Strafverfolgungsbehörden Teil eines Netzwerkes des internationalen organisierten
Verbrechens und dem Kläger sei die Einreise in die USA untersagt.
21
Es liegt nahe, dass der Artikel im Inland zur Kenntnis genommen wurde
oder wird. Bei der "New York Times" handelt es sich um ein international anerkanntes
Presseerzeugnis, das einen weltweiten Interessentenkreis ansprechen
und erreichen will. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war und ist
die Online-Ausgabe der Zeitung auch in Deutschland abrufbar. Deutschland ist
im Registrierungsbereich des Online-Portals ausdrücklich als "country of residence"
aufgeführt. Im Juni 2001 waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
14.484 Internetnutzer registriert, die Deutschland als Wohnsitz
angegeben hatten.
22
Durch die angegriffenen Äußerungen wird die Achtung, die der in
Deutschland wohnhafte und geschäftlich tätige Kläger in seinem Lebenskreis in
Deutschland genießt, jedenfalls auch in Deutschland gestört bzw. gefährdet
(vgl. zur Störung des Achtungsanspruchs am Wohnort des Betroffenen: Senatsurteil
vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO).
23
- 13 -
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Artikel der erforderliche
Inlandsbezug nicht deshalb abzusprechen, weil er im Lokalteil des
Internetauftritts, dem sogenannten "Metropolitan Desk", zum Abruf bereit gehalten
wird. Er kann insbesondere nicht einer Meldung in der Onlineausgabe einer
lokalen Tageszeitung oder einem Stadtmagazin mit vornehmlich lokalen Inhalten
gleichgesetzt werden, die typischerweise objektiv auf die entsprechende
Region ausgerichtet ist. Ausweislich des Artikels wurde er in Washington verfasst;
er befasst sich offensichtlich nicht mit einem lokalen Ereignis, sondern mit
Vorgängen von erheblichem internationalen Interesse, nämlich der Bestechung
osteuropäischer Beamter zur Förderung eigener geschäftlicher Interessen. Abgesehen
davon ist zu berücksichtigen, dass der Leser einer Online-Ausgabe
anders als der herkömmliche Zeitungsleser die Möglichkeit hat, ihn interessierende
Inhalte mit der Suchfunktion - beispielsweise durch Eingabe des Wortes
"Germany" in das Suchfeld - zu ermitteln. Soweit das Berufungsgericht annimmt,
der angegriffene Artikel habe im Inland zu vernachlässigende Auswirkungen,
weil ihn lediglich 14.484 Personen zur Kenntnis hätten nehmen können,
übersieht es zum einen, dass es zur Begründung der internationalen Zuständigkeit
bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht auf Spürbarkeitsgesichtspunkte
ankommt (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75 - aaO,
S. 1591). Zum anderen berücksichtigt es nicht hinreichend, dass der soziale
Geltungsanspruch des Klägers bereits dann erheblich tangiert sein kann, wenn
auch nur eine Person aus seinem Lebenskreis die für ihn abträglichen Behauptungen
zur Kenntnis nimmt.
24
4. Das Berufungsurteil war gemäß § 562 Abs. 1 ZPO teilweise aufzuheben
und die Sache im Umfang der Aufhebung nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Eine Zurückverweisung an das Landgericht im Wege eigener Sachentscheidung
des Senats nach §§ 563 Abs. 3, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO
25
- 14 -
kam schon deshalb nicht in Betracht, weil dies von keiner Partei beantragt worden
ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003
- III ZR 176/02 - NZM 2003, 375; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 563 Rn. 3, 23).
Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht auch den in der Revisionserwiderung
vorgebrachten Bedenken gegen die Fassung des Klageantrags
Rechnung zu tragen haben.
Galke Diederichsen Pauge
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.01.2008 - 12 O 393/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.12.2008 - I-15 U 17/08 -
MARS
 
Beiträge: 244
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 18:54

Revision gegen Freispruch im Fall Mollath verworfen

Beitragvon Gedankenpolizei » Mi 16. Nov 2016, 15:05

BGH Beschluss 1 STR 56/15 vom 14.10.2015



Bundesgerichtshof

Beschluss

1 STR 56/15

vom

14. Oktober 2015
In der Strafsache
gegen (...)


wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 gemäß

§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen :




Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. August 2014 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe :

1

Die Revision des Angeklagten richtet sich gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts Regenburg vom 14. August 2014, durch dessen Entscheidungsgründe sich der Angeklagte beschwert sieht.

2

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unzulässig.

I.

3

Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 14. August 2014 freigesprochen und ihm für näher bezeichnete Zeiträume der Unterbringung eine Entschädigung zugesprochen.

4

1. Der Angeklagte war zunächst durch Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. August 2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und von den angeklagten Tatvorwürfen zum Teil aus rechtlichen und zum Teil aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte die Vorwürfe der gefährlichen Körperverletzung am 12. August 2001, der Körperverletzung mit Freiheitsberaubung am 31. Mai 2002 und der Sachbeschädigung in acht Fällen im Zeitraum zwischen dem 31. Dezember 2004 und dem 1. Februar 2005 in tatsächlicher Hinsicht für erwiesen erachtet, die Schuldfähigkeit des Angeklagten dabei jedoch für nicht ausschließbar aufgehoben gehalten. Von dem weiteren Vorwurf des Diebstahls am 23. November 2002 hatte sich das Landgericht Nürnberg-Fürth in tatsächlicher Hinsicht nicht zu überzeugen vermocht. Sachverständig beraten war das Landgericht Nürnberg-Fürth ferner zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte werde auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen und sei daher für die Allgemeinheit gefährlich. Es hatte deshalb seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.

5

Die Revision des Angeklagten gegen die Anordnung dieser Maßregel hat der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

6

Die Anträge des Angeklagten wie auch der Staatsanwaltschaft Regensburg, die Wiederaufnahme des Verfahrens zuzulassen und die Erneuerung der Hauptverhandlung anzuordnen, hat das Landgericht Regensburg mit Beschluss vom 24. Juli 2013 als unzulässig verworfen. Auf die sofortigen Beschwerden der beiden Antragsteller hat das Oberlandesgericht Nürnberg die Wiederaufnahme des Verfahrens mit Beschluss vom 6. August 2013 zugelassen, die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen. Die erneute Hauptverhandlung ist dabei auf die beiden Vorwürfe der Körperverletzung sowie die Vorwürfe der Sachbeschädigung beschränkt worden; der Freispruch vom Vorwurf des Diebstahls ist rechtskräftig verblieben.

7

2. Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 14. August 2014 freigesprochen, ohne eine Maßregel anzuordnen. Die Vorwürfe der Körperverletzung mit Freiheitsberaubung vom 31. Mai 2002 sowie der Sachbeschädigung in den Jahren 2004 und 2005 hat es nach der Beweiswürdigung als nicht erwiesen angesehen und den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Im Hinblick auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung vom 12. August 2001 ist das Landgericht Regensburg zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe den gesetzlichen Tatbestand vorsätzlich und rechtswidrig erfüllt, habe im Tatzeitpunkt aber nicht ausschließbar ohne Schuld im Sinne des § 20 StGB gehandelt. Der Freispruch des Angeklagten von diesem Vorwurf fußt auf diesen rechtlichen Erwägungen.

8

3. Der Angeklagte beanstandet nunmehr mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision seine Freisprechung, soweit diese (nur) aus Rechtsgründen erfolgt ist; die für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels erforderliche Beschwer leitet er aus den vom Landgericht Regensburg zum objektiven Tatgeschehen getroffenen Feststellungen ab.

II.

9

Die Revision des Angeklagten ist unzulässig und war daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

10

Die Freisprechung wegen nicht erwiesener Schuldfähigkeit im Sinne von § 20 StGB beschwert den Angeklagten nicht. Sie kann deshalb von ihm nicht mit der Revision angefochten werden.

11

1. Ein Angeklagter kann eine Entscheidung nur dann zulässig anfechten, wenn er durch sie beschwert ist. Dies bedeutet, dass die Urteilsformel einen unmittelbaren Nachteil für den "Beschwerten" enthalten muss, der seine Rechte und geschützten Interessen unmittelbar beeinträchtigt. Es genügt nicht, wenn ihn nur der Inhalt der Urteilsgründe in irgendeiner Weise belastet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 - 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153 ff. [Freisprechung aus sachlichen Gründen]; Urteil vom 26. März 1959 - 2 StR 566/58, BGHSt 13, 75, 76 f. [Einstellung wegen Verjährung]; Beschluss vom 24. November 1961 - 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 376 ff.; Urteil vom 4. Mai 1970 - AnwSt (R) 6/69, BGHSt 23, 257, 259 [Verurteilung vor dem Ehrengericht]; Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 f. [Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB]; Beschluss vom 18. August 2015 - 3 StR 304/15 [Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB]; KG, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 2 Ws 252/14 - 141 AR 316/14; OLG München NJW 1981, 2208; zuvor bereits RGSt 4, 355, 359).

12

a) Bei dem Erfordernis der Tenorbeschwer handelt es sich um ein richterrechtlich entwickeltes Rechtsmittelerfordernis, hinter dessen historischer Entstehung der Gedanke vom staatlichen Strafanspruch steht. Die Aufgabe eines Strafverfahrens liegt in der justizförmigen Prüfung, ob gegen den Angeklagten ein staatlicher Strafanspruch besteht (vgl. BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140; BGH, Beschluss vom 24. November 1961 - 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 378; und vom 18. März 2015 - 2 StR 656/13, Rn. 13, NJW-Spezial 2015, 569 f.). Kann keine strafbare Tat festgestellt werden und kommt keine Maßregel der Besserung und Sicherung in Betracht, so ist damit die Aufgabe der Strafrechtspflege im einzelnen Strafverfahren grundsätzlich erfüllt. Dem Angeklagten mag im Einzelfall zwar daran liegen, aus einem bestimmten Grund - etwa wegen erwiesener Unschuld - freigesprochen zu werden. Insoweit stehen seinem Verlangen aber die Interessen der staatlichen Rechtspflege entgegen, der die Feststellung genügt, dass gegen den Angeklagten kein Strafanspruch besteht und keine Maßregel in Betracht kommt. So wird etwa auch bei nicht hinreichendem Tatverdacht gegen den Angeschuldigten das Hauptverfahren nicht eröffnet (§ 203 StPO), selbst wenn dieser das Interesse haben sollte, sich öffentlich von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu reinigen. Die allgemeine Aufgabe der Strafrechtspflege zwingt aus prozesswirtschaftlichen Gründen zur Beschränkung im einzelnen Strafverfahren, insbesondere um eine uferlose Ausweitung der Beweisaufnahme zu vermeiden. Hat der Angeklagte daher keinen Anspruch darauf, aus einem bestimmten Grund freigesprochen zu werden, so kann ihm auch nicht das Recht zustehen, einen solchen Anspruch durch ein Rechtsmittel geltend zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1961 - 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 380). Etwaige durch die Entscheidungsgründe des Tatgerichts verursachte Folgen tatsächlicher Art würden durch ein Rechtsmittel ohnehin nicht rückgängig gemacht werden können (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 18. August 2015 - 3 StR 304/15).

13

Eine Beschwer kann sich deshalb für den Angeklagten nur aus der Entscheidungsformel des Urteils ergeben. Ein ihm günstigeres Ergebnis als die Freisprechung kann der Angeklagte nicht erzielen. Sonstige Rechts- und Interessenverletzungen durch die Gründe der Entscheidung, die nur die "Unterlagen des Urteils" bilden (vgl. RGSt 4, 355, 359), sind der Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht demgegenüber entzogen. Auch mittelbare Folgen des Verfahrens, etwa der gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 BZRG zwingende Registereintrag oder Verwaltungsangelegenheiten, begründen keine Beschwer, die zur Zulässigkeit der Revision führt. Dem hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen (vgl. Cirener in: Graf, StPO, 2. Aufl., § 296 Rn. 8; Hannich in: Karlsruher Kommentar, 7. Aufl., vor § 296 Rn. 5a; Jesse in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., vor § 296 Rn. 57; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., vor § 296 Rn. 11 und 13; Krack, Die Rehabilitierung des Beschuldigten im Strafverfahren, S. 186 ff. und S. 194 ff.; Radtke in: FS für Roxin, Bd. 2, S. 1419, 1427 ff.).

14

Auf den Fall der Freisprechung wegen Schuldunfähigkeit hat der Bundesgerichtshof diese Grundsätze in der Vergangenheit bereits angewendet und dem Angeklagten die Rechtsmittelbefugnis mangels Beschwer verwehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1961 - 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 376 ff.). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

15

b) Nach Maßgabe dessen ist der Angeklagte durch das freisprechende Urteil der Strafkammer nicht beschwert. Eine Beschwer ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Strafkammer in tatsächlicher Hinsicht für den Angeklagten nachteilige Feststellungen zu dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung am 12. August 2001 getroffen und die Freisprechung in Anwendung des Zweifelssatzes auf die Schuldunfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 20 StGB gestützt hat.

16

aa) Erfolgt ein Freispruch aus rechtlichen Gründen, sind Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Urteilsgründen aus Rechtsgründen erforderlich und geboten. Dies gilt mit Blick auf die für den Angeklagten und die Staatsanwaltschaft gleichermaßen bestehende Rechtsmittelbefugnis in besonderem Maße in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn der Freispruch wegen fehlender Schuldfähigkeit erfolgt. Denn Schuld im Sinne von § 20 StGB bedeutet Vorwerfbarkeit und ist ein Rechtsbegriff, keine empirischmedizinische Diagnose. Für deren Vorliegen kommt es auf den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat (§ 8 StGB) an; sein Zustand ist genau für diesen Zeitpunkt festzustellen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; und vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).

17

So setzt die rechtsfehlerfreie Anwendung des auch für die Frage der (vollen) Schuldfähigkeit geltenden Zweifelssatzes die umfassende Prüfung des Vorliegens und der Schwere eines festgestellten Eingangsmerkmals des § 20 StGB voraus. Hat ein Sachverständiger eine schwere Abartigkeit weder bejaht noch ausgeschlossen, liegt ein Rechtsfehler vor, wenn der Tatrichter "deshalb" "zugunsten" des Angeklagten ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung dessen Hemmungsvermögens ausgeht. Die Urteilsgründe müssen sich vielmehr dazu verhalten, in welchem Ausmaß sich das Eingangsmerkmal beim Tatentschluss oder der Tatausführung ausgewirkt hat. Etwa das Gewicht der Tat und die dadurch beeinflusste Höhe der von ihr ausgehenden Hemmschwelle können dabei für die Beurteilung Bedeutung gewinnen. Sie müssen deshalb festgestellt und in den Urteilsgründen in für das Revisionsgericht nachprüfbarer Weise dargelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 - 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116; vom 21. September 1982 - 1 StR 489/82, NJW 1983, 350; und vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, NStZ 1997, 485, 486; Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 2 StR 383/09, NStZ-RR 2010, 73, 74).

18

Auch der allgemein anerkannte Grundsatz, dass die Schuldfähigkeit regelmäßig nur in Beziehung auf einen bestimmten Straftatbestand, nicht aber unabhängig von diesem beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 - 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116; und vom 21. September 1982 - 1 StR 489/82, NJW 1983, 350), erfordert Feststellungen zum Tatgeschehen im Urteil. Vor allem die Frage der Hemmungsfähigkeit lässt sich bei den verschiedenartigen Straftaten nur selten einheitlich beantworten. So kann ein Betrunkener, der seinen Geschlechtstrieb nicht mehr zu beherrschen vermag und deshalb im Rausch den Versuch einer Sexualstraftat begeht, möglicherweise sehr wohl noch fähig sein, Hemmungen gegenüber einem Raubmotiv einzuschalten; wer sich infolge seines Rausches schuldlos zu einer Beleidigung hinreißen lässt, kann für eine gefährliche Körperverletzung noch verantwortlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 - 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116).

19

Soweit entsprechende Feststellungen für den freigesprochenen Angeklagten ungünstig sind und ihn in tatsächlicher Hinsicht beschweren, hat der Gesetzgeber dies grundsätzlich als Folge des justizförmigen Strafverfahrens hingenommen.

20

bb) Diesen Erwägungen hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil Rechnung getragen. Es hat in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, von welchem Tatablauf es im Hinblick auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung am 12. August 2001 ausgegangen ist. Dabei hat das Landgericht die Feststellungen auf das aus Rechtsgründen Erforderliche beschränkt. Es hat seine Darstellung des Tatgeschehens und der Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin sachlich gehalten und sich weitgehend auf die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen beschränkt. Diese Feststellungen bilden die von Gesetzes wegen notwendige "Unterlage" (vgl. RGSt 4, 355, 359 f.) der Entscheidungsformel. Sie vermittelt dem Angeklagten keine Rechtsmittelbefugnis.

21

2. Aus verfassungsrechtlichen Vorgaben, die in extrem gelagerten Ausnahmefällen zu einer Durchbrechung dieser Grundsätze führen können, ergibt sich vorliegend nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht hält den einfachrechtlichen Grundsatz der Tenorbeschwer nicht nur in ständiger Rechtsprechung für verfassungsgemäß, sondern hat diesen auf die Prüfung der Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden sogar jedenfalls grundsätzlich übertragen (vgl. BVerfGE 28, 151, 160 f.; BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 1003/12 (3. Kammer des 2. Senats), Rn. 8 mwN, juris).

22

a) Die Gestaltung des strafprozessualen Rechtsmittelverfahrens und die Auslegung der dafür geltenden Rechtsnormen (§§ 296 ff. StPO) ist originäre Anwendung des einfachen Rechts. Einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Rechtsmittelkontrolle durch eine übergeordnete Instanz schlechthin gibt es nicht (vgl. BVerfGE 4, 74, 94 f.; 6, 7, 12).

23

b) Indes kann in seltenen Ausnahmefällen auch ein freisprechendes Urteil durch die Art seiner Begründung Grundrechte verletzen (vgl. BVerfGE 6, 7, 9; 28, 151, 160). So kann in einzelnen Ausführungen der Entscheidungsgründe eine Grundrechtsverletzung dann erblickt werden, wenn sie - für sich genommen - den Angeklagten so schwer belasten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereichs festzustellen ist, die durch den Freispruch nicht aufgewogen wird. Das ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die Entscheidungsgründe einzelne, den Beschwerdeführer belastende oder für ihn "unbequeme" Ausführungen enthalten (vgl. BVerfGE 28, 151, 161).

24

c) Unter Anwendung dieser Maßstäbe liegt ein Ausnahmefall, der zum Zwecke der Wahrung der verfassungsmäßig verbürgten Rechte des Angeklagten einfachrechtlich die Zulässigkeit seiner Revision zur Folge hat, nicht vor. Wie bereits dargelegt, beschränken sich die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen auf das gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO für die Überprüfung der Urteilsgründe auf Rechtsfehler erforderliche Maß. Aus welchen Feststellungen genau sich eine schlechthin unerträgliche Beschwer für den Angeklagten ergeben soll, legt auch die Revision nicht dar. Ihr Vortrag, das Urteil enthalte "seitenweise negative Aussagen über den Revisionsführer" (RB S. 5) und setze diesen dem Vorwurf des "gefährlichen Gewaltverbrechers" (RB S. 15) aus, belegen dies nicht. Für den Angeklagten schlicht unangenehme Aussagen reichen nicht aus. Auch aus der Medienwirksamkeit des Strafverfahrens kann sich eine Beschwer im genannten Sinne nicht ergeben, denn diese ist nicht Folge des Urteils und der Entscheidungsgründe selbst. Beeinträchtigungen des Angeklagten aufgrund öffentlicher Berichterstattung können im Falle seiner Verurteilung im Rahmen der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen sein, wenn der Druck der medialen Berichterstattung erheblich über das hinaus geht, was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 - 1 StR 164/07, NStZ-RR 2008, 343, 344). Die damit einhergehende seelische Belastung eines Angeklagten kann unter Umständen das Maß des staatlichen Strafanspruchs beeinflussen, seine Rechtsmittelbefugnis bleibt davon indessen unberührt.

25

3. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt gleichfalls keinen Anlass, das Erfordernis der Tenorbeschwer für die Zulässigkeit der strafprozessualen Revision aufzugeben.

26

a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann die durch Art. 6 Abs. 2 MRK garantierte Unschuldsvermutung auch durch ein freisprechendes Urteil verletzt werden. Es soll dafür nicht nur auf den Tenor der freisprechenden Entscheidung, sondern auch auf die Urteilsbegründung ankommen. Ein Konventionsverstoß kann etwa zu bejahen sein, wenn das nationale Gericht im Fall des Freispruchs aus sachlichen Gründen durch die Urteilsgründe zum Ausdruck bringt, es sei von der Schuld des Angeklagten tatsächlich überzeugt (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 - 48144/09 - Cleve/Deutschland).

27

Bereits zuvor hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in ständiger Rechtsprechung eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 MRK bejaht, wenn eine Gerichtsentscheidung oder die Äußerung eines Amtsträgers nach seiner Bewertung zu erkennen gab, eine einer Straftat angeklagte Person sei schuldig, obwohl der gesetzliche Beweis ihrer Schuld noch nicht erbracht war. Dabei hat der Gerichtshof der konkreten Wortwahl der jeweils angegriffenen Entscheidung maßgebliche Bedeutung beigemessen und diese im Kontext mit der gegebenen Verfahrenslage gewürdigt (vgl. EGMR, Slg. 2000-X Nr. 39, 41 - Daktaras/Litauen; EGMR, NJW 2004, 43 Nr. 54, 56 - Böhmer/Deutschland; EGMR, Urteil vom 27. Februar 2007 - 65559/01 Nr. 88.f. - Ne.. k/Slowakei; EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 13470/02 Nr. 94 - Khuzhin u.a./Russland; EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 - 24528/02 Nr. 45.ff. - Borovsk./Slowakei).

28

Die Garantie des Art. 6 Abs. 2 MRK hat der Gerichtshof dabei vornehmlich in Fällen für verletzt erachtet, in denen der Beschwerdeführer einer Straftat nur verdächtig war, ohne ihretwegen rechtskräftig verurteilt zu sein. Der Gerichtshof hat dabei abermals betont, die Wortwahl der Entscheidung sei im Zusammenhang mit den besonderen Umständen, unter denen die angegriffene Äußerung gemacht wurde, zu bewerten. So hat der Gerichtshof eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 MRK abgelehnt, soweit eine faktische Belastung des Beschwerdeführers für die justizförmige Durchführung des Verfahrens erforderlich oder dessen zwangsläufige Folge war (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 - 48144/09 - Cleve/Deutschland; Urteil vom 27. Februar 2014 - 17103/10 - Karaman/Deutschland, Rn. 63 mwN; Slg. 2013 Nr. 126 - Allen/Vereinigtes Königreich).

29

b) Der im nationalen Recht geltende Grundsatz der Tenorbeschwer steht zu dieser Rechtsprechung nicht in Widerspruch; er fügt sich in seiner richterrechtlichen Ausprägung sogar in diese ein.

30

aa) Ein Anspruch des Betroffenen auf einen Instanzenzug im Strafverfahren schlechthin lässt sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ableiten. Art. 6 MRK garantiert bereits nicht das Recht auf ein bestimmtes Ergebnis eines Strafverfahrens, etwa nicht auf Verurteilung oder Freispruch wegen einer angeklagten Straftat (vgl. EGMR, Urteil vom 26. August 2003 - 59493/00 - Withey/Vereinigtes Königreich; Urteil vom 3. Dezember 2009 . 8917/05 . Kart/Türkei, NJOZ 2011, 619, 621). Die Bereitstellung und Ausgestaltung des Instanzenzugs ist vielmehr der Regelung durch den nationalen Gesetzgeber unter Wahrung der von der Konvention vorgesehenen Verfahrensgarantien vorbehalten.

31

bb) Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 15. Januar 2015 (Nr. 48144/09 - Cleve/Deutschland) lässt sich für die hier vorliegende Konstellation nichts Gegenteiliges ableiten.

32

(1.) Dies gilt zum einen deshalb, weil der Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht andere Umstände zugrunde lagen. Der dem Gerichtshof vorgelegte Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, dass sich das erkennende nationale Gericht nach Abschluss der Beweisaufnahme keine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten verschafft und diesen aus sachlichen Gründen freigesprochen hatte. Die schriftlichen Urteilsgründe standen hierzu aber in Diskrepanz, denn sie enthielten Äußerungen, aus denen hervorging, der Angeklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen tatsächlich begangen, lediglich fehle wegen einer unzureichenden Zeugenaussage die hinreichende Gewissheit hinsichtlich eines bestimmten, für die Verurteilung erforderlichen Tathergangs (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 - 48144/09 - Cleve/Deutschland, Nr. 57 f.).

33

So liegt es hier nicht. Das Landgericht hat den Angeklagten vorliegend nicht aus sachlichen, sondern aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die Überzeugung von einem bestimmten äußeren Ablauf der angeklagten Tat hat sich das Landgericht verschafft; Zweifel verblieben (nur) an der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Eine der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 15. Januar 2015 vergleichbare Divergenz zwischen dem Tenor und den Gründen des Urteils besteht deshalb nicht. Wie oben ausgeführt war das Landgericht zur rechtsfehlerfreien Anwendung des § 20 StGB sogar gehalten, den für erwiesen erachteten Tatablauf und den Zustand des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt im Urteil darzulegen.

34

(2.) Darüber hinaus ist die Entscheidung des Gerichtshofs vom 15. Januar 2015 im Kontext mit seiner seit langem gefestigten Rechtsprechung in den Blick zu nehmen, wonach es für die Verletzung der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK entscheidend auf Wortwahl und Formulierung der Urteilsgründe unter Betrachtung der konkreten Verfahrenssituation ankommt. Hieran hat der Gerichtshof unverändert angeknüpft und der Wortwahl der gerichtlichen Äußerungen das maßgebliche Gewicht beigemessen (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 - 48144/09 - Cleve/Deutschland, Nr. 54 f.).

35

Nach Maßgabe dessen ist die Revision des Angeklagten hier nicht ausnahmsweise zulässig, denn eine übermäßige Beschwer liegt bei Gesamtwürdigung der getroffenen Formulierungen nach Freispruch aus rechtlichen Gründen nicht vor. An dieser Stelle fügt sich der Grundsatz der Tenorbeschwer in die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überdies zwanglos ein, denn eine Ausnahme von der Formalbeschwer für extrem gelagerte Fälle, in denen sich die Belastung des Angeklagten aus Begleitumständen, etwa der Wortwahl des Tatgerichts, ergibt, sieht bereits die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit jeher vor (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 - 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153 ff.; Beschluss vom 24. November 1961 - 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374; vgl. BGHSt 13, 75, 77; 16, 374; 23, 257, 259; 28, 327, 330; Beschluss vom 18. August 2015 - 3 StR 304/15).

36

c) Im Übrigen hat auch das Bundesverfassungsgericht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 15. Januar 2015 am Erfordernis der Tenorbeschwer nach verfassungsrechtlichen Maßstäben festgehalten (vgl. BVerfG, NZA 2015, 1117, 1119 mwN).

37

4. All dies unbeschadet wäre die Revision des Angeklagten auch unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Beweiswürdigung lässt angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Revisionsgerichts Rechtsfehler nicht erkennen.

Graf .................................................... Cirener .....................................................Radtke

RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ....................................................Fischer
ist infolge Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindert.

Graf
Gedankenpolizei
 
Beiträge: 47
Registriert: Fr 29. Nov 2013, 13:13

BGH Urteil gegen Google VI ZR 269/12

Beitragvon Gedankenpolizei » Sa 21. Jan 2017, 16:26

BGH - Urteil v. 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12
in Sachen Google Suchmaschine


BUNDESGERICHTSHOF


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VI ZR 269/12

Verkündet am : 14. Mai 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja

ZPO § 32; EGBGB Art. 40 Abs. 1 Satz 2 ; BGB § 823 Abs. 1 Ah, § 1004


a) Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit
Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender
Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die
Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.

b) Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen
Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.

c) Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines
Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu
verhindern.

BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12
-OLG Köln
-LG Köln


Der VI.Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt :

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom
10. Mai 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Internet über ein "Net-
work-Marketing-System" Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt,
sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen
die Beklagte mit Sitz in den USA, die unter der Internetadresse
"www.google.de" eine Internet-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs- und

Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in
die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Treffer-
liste auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April
2009 hat die Beklagte eine "Autocomplete"-Funktion in ihre Suchmaschine inte-
griert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner Suchbe-
griffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem
sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge
("predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt werden. Die im Rahmen
dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis
eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern einge-
gebenen Suchanfragen einbezieht.

Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Namens R.S. in
dem sich im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion öffnenden Fenster als Suchvor-
schläge die Wortkombinationen "R.S. (voller Name) Scientology" und "R.S.
(voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persön-
lichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie haben u.a. behauptet, der
Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein
Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn einge-
leitet worden. In keinem einzigen Suchergebnis sei eine Verbindung zwischen dem
Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.

Die Kläger haben zunächst im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung vom
12. Mai 2010 erwirkt, durch die der Beklagten untersagt wurde, auf der Internet-
seite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers zu 2 als Suchbegriff
im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden Kombinationsbegriffe "Sciento-
logy" und "Betrug" vorzuschlagen. Nach der Zustellung der Beschlussverfügung an die
damalige administrative Ansprechpartnerin der Beklagten in Deutschland am 27. Mai
2010 erschienen die beanstandeten Ergänzungsvorschläge nicht mehr. Die Beklagte
hat eine Abschlusserklärung verweigert. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren ver-
langen die Kläger über das bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend
gemachte Unterlassungsbegehren hinaus Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten
und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer Geldentschädigung. Das Landge-
richt hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat
das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Gründe

I.

Das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht u.a. in GRUR-RR 2012, 486 und ZUM 2012,
987 m. Anm. Seitz) hat sowohl die internationale Zuständigkeit als auch die An-
wendbarkeit deutschen Rechts bejaht. Es hat jedoch die Klage nicht als begründet
erachtet, weil den automatisierten Suchergänzungsvorschlägen in der Suchmaschine
der Beklagten bei Eingabe des Namens des Klägers zu 2 kein eigener Aussagegehalt
beizumessen sei. Die angezeigten Suchergänzungsbegriffe "R.S. Scientology" und
"R.S. Betrug" enthielten keine (eigene) Aussage der Beklagten mit dem Inhalt, dass
R.S. Mitglied bei Scientology sei oder dieser Sekte zumindest positiv gegenüber-
stehe oder Täter oder Teilnehmer eines Betruges sei. Es begegne bereits Zweifeln,
ob den Begriffskombinationen überhaupt eine solche Konnotation bzw. ein insofern
aus sich heraus verständlicher Sinngehalt beigemessen werden könne. Letztlich
könne dies indessen offenbleiben, da es nach dem Erfahrungshorizont der Nutzer der
Suchmaschine der Beklagten fernliege, die streitgegenständlichen Ergänzungssuchbe-
griffe als Äußerungen zu verstehen, mit denen inhaltliche Bezüge zwischen dem ein-
gegebenen Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergänzungsvorschlägen durch die
Beklagte hergestellt würden. Eine hiervon abweichende Würdigung ergebe sich weder
aus den von den Klägern vorgebrachten Manipulationsversuchen noch aus Presseberichterstattungen über ähnliche Vorgänge noch aus den Ergebnissen der von
den Klägern zur Akte gereichten Verkehrsbefragung. Ein Anlass für die von den Klägern
beantragte Einholung eines demoskopischen Sachverständigengutachtens bestehe nicht,
da die Mitglieder des erkennenden Senats zu dem angesprochenen Adressatenkreis,
nämlich dem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten der
streitgegenständlichen Ergänzungssuchbegriffe, gehörten. Aus Sicht eines solchen
Durchschnittsrezipienten lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe lediglich
die eigene Aussage der Suchmaschine der Beklagten entnehmen, dass andere vorherige
Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder
dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten jeweils als
solche auffinden ließen. Diese Aussage sei wahr und daher von den Klägern hin-
zunehmen.

II.

Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht die Klage für zulässig erachtet.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte in entsprechender Anwendung des § 32 ZPO bejaht. Zwar genügt es nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Begründung der internationalen Zuständigkeit
der deutschen Gerichte im Rahmen des § 32 ZPO nicht, dass der Kläger den Mittelpunkt
seiner Interessen im Inland hat; erforderlich ist vielmehr, dass die als rechts-
verletzend beanstandeten 5 Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in
dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen -
Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits,
Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts andererseits -
nach den Umständen des konkreten Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der
konkreten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann
(vgl. Senatsurteile vom 29. März 2011 - VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059 und vom
2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313). Diese Voraussetzungen sind nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall gegeben, da eine Kenntnisnahme
der beanstandeten Suchergänzungsvorschläge im Inland erheblich näher liegt als
es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der Meldung der Fall wäre und die von den
Klägern geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch
Kenntnisnahme der Suchergänzungsvorschläge auch im Inland eintreten würde.
Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit entsprechend § 39 ZPO auch aufgrund
rügeloser Einlassung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1987 - II ZR 280/86, BGHZ
101, 296, 301).

b) Das Berufungsgericht hat den - auch die alternative Verwendung der streitge-
genständlichen Ergänzungsbegriffe umfassenden - Unterlassungsantrag für hinrei-
chend bestimmt angesehen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das nimmt die
Revision als ihr günstig hin und begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.

2. Die Begründetheit der Klage kann jedoch - entgegen der Auffassung des Berufungs-
gerichts - aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.

a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler deutsches Recht angewandt. Nach Art.
40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grund-
sätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der
Verletzte kann jedoch nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGBGB im ersten Rechtszug
bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens
verlangen,dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem
der Erfolg eingetreten ist. Von dieser Möglichkeit haben die Kläger im Streitfall
Gebrauch gemacht. Der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt
in Deutschland. Hier wird die Achtung des in Deutschland wohnhaften Klägers zu 2
bzw. der Klägerin zu 1 mit Sitz in Deutschland gestört bzw. gefährdet (vgl. Senats-
urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 31 - auch zur Nichtan-
wendbarkeit der Rom II-Verordnung (Rn. 22) und zu § 3 TMG als sachlichrechtliches
Beschränkungsverbot (Rn. 30)).

b) Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend §§
823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Artt. 1, 2 GG gegen die Beklagte als Betreiberin der
Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beinhalten die Suchwortergänzungs-
vorschläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers
zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten eine Beeinträchtigung des Persönlich-
keitsrechts der Kläger, da ihnen ein verletzender Aussagegehalt innewohnt.

(1) Der mit dem Begriff "Scientology" in Verbindung mit dem Namen einer real existie-
renden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt lässt sich - wie schon das Berufungs-
gericht in Betracht gezogen hat - hinreichend dahin spezifizieren, dass zwischen
dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt durch eine vorangegangene Medienbericht-
erstattung konkrete Vorstellungen existieren, und der namentlich erwähnten Person
eine Verbindung besteht. Diese Verbindung ist geeignet, eine aus sich heraus aussa-
gekräftige Vorstellung hervorzurufen.

(2) Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es dem Begriff des Betrugs
eine inhaltliche Aussagekraft mit der Begründung absprechen will, dass mit diesem
Begriff ein vielfältiges, unspezifisches Bedeutungsspektrum verbunden sei. Maßgeblich
für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines
unvoreingenommenen und verständigen Publikums (vgl. BVerfGE 93, 266, 295). Zwar mag
es zutreffen, dass von einem durchschnittlichen Internetnutzer unter "Betrug" nicht
die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes verstanden
werden muss. Jedoch verbindet der Durchschnittsleser mit der Verwendung dieses Begriffes
zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleiht ihm damit
einen hinreichend konkreten Aussagegehalt (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42).

(3) Das Berufungsgericht hat den von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten
Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage entnommen, dass andere vorherige
Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben haben oder
dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten auffinden lassen
(vgl. auch Härting K & R 2012, 633; Heckmann AnwZert ITR 18/2012 Anm. 1; Brosch
AnwZert ITR 20/2012 Anm. 2; a.A. Weltig MMR 2011 Nr. 12 V f.; Seitz ZUM 2012, 994,
995 f.; s. auch Meyer K & R 2013, 221, 225 f. mwN auch zur Rechtsprechung auslän-
discher Gerichte). Dem vermag der Senat nicht beizutreten.

Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internet-
nutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden
Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten
Suchbegriff, hält ihn jedenfalls für möglich. Aus dem "Ozean von Daten" werden dem
suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht xbeliebige ergän-
zende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig "Treffer" liefern. Die Suchmaschi-
ne ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen
Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - auf inhaltlich
weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Such-
programm bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem Internet-
nutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbe-
griff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht in der - in der Praxis oft
bestätigten - Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombi-
nationen - je häufiger desto eher - dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich
sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhalt-
liche Bezüge widerspiegeln. Diese Erwartung hat das Berufungsgericht bei der Bestim-
mung des Aussagegehalts der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten
Ergänzungssuchvorschläge nicht berücksichtigt. Sie führt im Streitfall dazu, dass
den bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers zu 2 "automatisch" angezeigten
Ergänzungssuchvorschlägen "r. s. scientology" und "r. s. betrug" die Aussage zu
entnehmen ist, zwischen dem Kläger zu 2 und den - negativ konnotierten - Begriffen
"Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang.

bb) Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger ist der Beklagten
auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen Computerprogramm
das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechen-
den Vorschläge unterbreitet. Die Verknüpfungen der Begriffe werden von der Suchma-
schine der Beklagten und nicht von einem Dritten hergestellt. Sie werden von der
Beklagten im Netz zum Abruf bereitgehalten und stammen deshalb unmittelbar von ihr.

c) Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede
Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet.

aa) Zwar ist die Beklagte nicht bereits nach § 10 Telemediengesetz (künftig: TMG)
von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte zutreffend als Diensteanbieter (§ 2 Satz 1
Nr. 1 TMG) qualifiziert, der eigene Informationen zur Nutzung bereit hält und des-
halb gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen - mithin auch nach §§ 823
Abs. 1, 1004 BGB - verantwortlich ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI
ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 13 f. s. auch Heckmann, aaO; a.A. Brosch, aaO). Die
Kläger nehmen die Beklagte nicht wegen der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder
Speicherung fremder Informationen, sondern wegen einer eigenen Information in An-
spruch, konkret wegen der als Ergebnisse ihres Autocomplete-Hilfsprogramms dem
Nutzer ihrer Internet-Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge. Es
geht mithin um einen von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen "eigenen" In-
halt und nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten,
für die der Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich
ist.

bb) Es bedarf aber wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts
einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange, bei der die
besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewähr-
leistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu be-
rücksichtigen sind (vgl. Se-18 natsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02,
VersR 2004, 522, 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und
- VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009,
555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20.
April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120,
180, 200 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff
in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des
Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsur-
teile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November
2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR
227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08,
VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO).

cc) Danach sind das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte einer-
seits und die durch Artt. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG geschützten Interessen der Beklagten
auf Meinungs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit andererseits abzuwägen. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem
eigenen geschäftlichen Interesse in der beschriebenen Weise betreibt, um Nutzer
wegen der Effektivität der Suche an sich zu binden. Doch ziehen die Nutzer ihrerseits
daraus den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach Daten und Informationen.
Auch die Kläger wenden sich nicht dagegen, dass mittels der Suchmaschine persönliche
Daten, wie der Name des Klägers zu 2 und sein Bezug zur Klägerin zu 1, aufgefunden
werden können. Auf Seiten der Kläger ist für die Abwägung entscheidend, dass die
verknüpften Begriffe einen unwahren Aussagegehalt haben, weil der Kläger zu 2 - wovon
nach dem Vortrag der Kläger revisionsrechtlich auszugehen ist - weder in Verbindung
mit einem Betrug gebracht werden kann noch Scientology angehört oder auch nur nahe
steht. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssen nicht hingenommen werden (vgl.
Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober
2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63, Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn.
62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39).

d) Ist mithin nach den vorstehenden Grundsätzen davon auszugehen, dass die bean-
standeten Suchwortergänzungsvorschläge das Persönlichkeitsrecht der Kläger ver-
letzen, kann eine Haftung der Beklagten als Störerin nicht von vornherein verneint
werden.

aa) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist - ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein
Verschulden trifft - jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder
dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer Beein-
trächtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unter-
lassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbei-
trags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der
Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines
Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (vgl. Senat, Urteile vom 3.
Februar 1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85,
VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 524). Als
(Mit-)Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und
adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt
hat, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung
dieser Handlung hatte. Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen,
dass dem in Anspruch Genommenen die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die
Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist Verschulden nicht erforder-
lich (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 13,
vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, aaO mwN; BGH, Urteil 23 vom 17. Dezember 2010
- V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff.; Diederichsen, FS Müller, 2009 S. 507, 523).

bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte deshalb uneingeschränkt und unab-
hängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haftet. Denn nach den besonderen Umständen
des Streitfalles liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen.

(1) Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbeitenden Software
ist der Beklagten nicht vorzuwerfen; hierbei handelt es sich vielmehr um eine durch
Artt. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit. Das Suchmaschinenangebot der
Beklagten zielt auch nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen
eine bestimmte Person gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung ab. Nur durch das
Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens können ehrverletzende Begriffsverbin-
dungen entstehen. Die Tätigkeit der Beklagten ist andererseits aber nicht nur rein
technischer, automatischer und passiver Art (anders liegen die Fälle: Google France/
Louis Vuitton EuGH, Urteil vom 23. März 2010 - C-236/08 bis C-238/08, NJW 2010, 2029
Rn. 114 und BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 39 - Vor-
schaubilder - jeweils zum Hostprivileg nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG).
Sie ist nicht ausschließlich beschränkt auf die Bereitstellung von Informationen für
den Zugriff durch Dritte. Die Beklagte verarbeitet vielmehr die Abfragedaten der
Nutzer in einem eigenen Programm, das Begriffsverbindungen bildet. Für deren Angebot
in Form eigener Suchvorschläge ist die Beklagte grundsätzlich aufgrund der ihr zuzu-
rechnenden Erarbeitung verantwortlich. Der Beklagten kann deshalb grundsätzlich nur
vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu ver-
hindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verle-
tzen.

(2) Bei Beeinträchtigungen, die eine pflichtwidrige Unterlassung als (Mit-) Ursache
haben, ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Haftung eine fallweise wertende Be-
trachtung erforderlich. Die Verantwortlichkeit des Unterlassenden wird durch die Kri-
terien der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erfolgsverhinderung begrenzt.

Dabei kann sich die Möglichkeit der Beseitigung einer Beeinträchtigung daraus ergeben,
dass der Betroffene die Quelle der Störung beherrscht oder Einfluss auf jemanden neh-
men kann, der zur Beendigung der Beeinträchtigung in der Lage ist (Erman/Ebbing, BGB,
13. Aufl., § 1004 Rn. 120). Ist dies der Fall, kann für die Zumutbarkeit der Beseiti-
gung der Beeinträchtigung eine dem Betroffenen obliegende Überwachungspflicht von Be-
deutung sein (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1960 - GSZ 1/60, BGHZ 34, 99, 108
f.).

Voraussetzung einer Haftung des Betreibers einer Suchmaschine mit entsprechender Hilfs-
funktion ist daher ebenso wie bei der Haftung eines Hostproviders wegen der Verbrei-
tung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten (vgl. hierzu Senatsurteil
vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219) eine Verletzung von Prüfungspflich-
ten. Deren Bestehen wie deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung
aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anfor-
derungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am geschäft-
lichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung ent-
wickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch
Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli
2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 38; vom 10. Oktober 1996 - I ZR 129/94, NJW 1997,
2180, 2181 f. = WRP 1997, 325 - Architektenwettbewerb; Urteil vom 17. Mai 2001 - I ZR
251/99, BGHZ 148, 13, 17 f. - ambiente.de; Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, 27
BGHZ 158, 236, 251 - Internetversteigerung I, vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, NJW
2011, 753 Rn. 9 ff., jeweils mwN).

Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die durch
eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechts-
verletzungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb einer Suchmaschine mit einer der
schnellen Recherche der Nutzer dienenden Suchergänzungsfunktion wenn nicht gar unmög-
lich machen, so doch unzumutbar erschweren. Eine entsprechende präventive Filterfunk-
tion kann zwar für bestimmte Bereiche, wie etwa Kinderpornographie, erforderlich und
realisierbar sein, sie vermag jedoch nicht allen denkbaren Fällen einer
Persönlichkeitsrechtsverletzung vorzubeugen. Den Betreiber einer Internet-Suchmaschine
trifft deshalb grundsätzlich erst dann eine Prüfungspflicht, wenn er Kenntnis von der
Rechtsverletzung erlangt.

Weist ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchma-
schine auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der
Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu ver-
hindern (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 19).

3. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - eine rechtliche Würdigung
unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten ebenso wenig vorgenommen
wie unter dem Gesichtspunkt des - nur in engen Grenzen zu gewährenden (vgl. Senatsurteil
vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, VersR 2012, 630 Rn. 15 mwN) - Anspruchs auf Geldent-
schädigung und des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies wird
es nachzuholen haben.

Galke Wellner Diederichsen Pauge von Pentz

Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 19.10.2011 - 28 O 116/11 -

OLG Köln, Entscheidung vom 10.05.2012 - 15 U 199/11 -
Gedankenpolizei
 
Beiträge: 47
Registriert: Fr 29. Nov 2013, 13:13


Zurück zu Nützliche Urteile

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron